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Titel: Copy
Autoren: David Brin
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EIN GUTER KOPF FÜR WEIN
 … ODER WIE MONTAGS GRÜNER DITO LIEBE ERINNERUNGEN VOM FLUSS BRINGT…
     
     
    Es ist schwer, freundlich zu bleiben, während man um sein Leben kämpft, auch wenn das Leben nicht viel bedeutet.
    Auch wenn man nur ein Klumpen Ton ist.
     
    EIN GESCHOSS – EIN STEIN, glaube ich – klatschte nur wenige Zentimeter entfernt an die Wand, und stechende Splitter spritzten mir ins Gesicht. Es gab nichts, wohinter ich mich ducken konnte, nur eine überfüllte Mülltonne. Ich nahm den Deckel ab und schwang ihn herum.
    Gerade noch rechtzeitig. Ein zweites Geschoss prallte gegen den Deckel und verbeulte Plastik statt meiner Brust.
    Jemand wollte mich erledigen.
    Noch vor wenigen Momenten hatte ich geglaubt, mich in der Gasse verstecken und dort Luft schnappen zu können, doch jetzt verriet mich ihre kalte Dunkelheit. Selbst ein Dito gibt ein wenig Körperwärme ab. Beta und seine Gang trugen keine Waffen in diesem Teil der Stadt – das würden sie nicht wagen –, aber ihre Schleudern waren mit Infrarotvisieren ausgestattet.
    Ich musste der verräterischen Dunkelheit entkommen. Während der Schütze nachlud, hob ich meinen improvisierten Schild und eilte den hellen Lichtem des Odeon-Distrikts entgegen.
    Das war riskant. Dort wimmelte es von Archis, die in Cafes saßen oder in der Nähe von noblen Theatern herumliefen. Pärchen schlenderten Arm in Arm am Kai und genossen die Brise vom Fluss. Nur einige wenige Bunte wie ich waren zu sehen, hauptsächlich Kellner, die die Höheren mit der farblosen Haut an den überdachten Tischen bedienten.
    Ich war bestimmt nicht willkommen in dieser Zone, wo Eigentümer zusammenströmten, um sich an ihrem langen, sinnlichen Leben zu erfreuen. Aber wenn ich in den Seitenstraßen blieb, würden mich meine eigenen Artgenossen zu Fischfutter zerhacken. Deshalb beschloss ich, ein Risiko einzugehen.
    Verdammt, hier ist es voll, dachte ich, als ich mir einen Weg über den Platz suchte und zu vermeiden hoffte, gegen einen der bummelnden Archis zu stoßen. Mein Gesichtsausdruck war ernst – als hätte ich einen legitimen Grund, hier zu sein –, aber bestimmt fiel ich so sehr auf wie eine Ente unter Schwänen, und nicht nur wegen der Hautfarbe. Meine zerrissene Papierkleidung erregte Aufmerksamkeit. Außerdem ist es schwer, unauffällig zu bleiben, während man seine lebenswichtigen Organe mit einem zerbeulten Mülltonnendeckel schützt.
    Wieder schlug etwas gegen das Plastik. Ich sah zurück und beobachtete, wie eine gelbe Gestalt ihre Schleuder sinken ließ, um sie erneut zu laden. Hinter ihr spähten weitere Gestalten aus den Schatten und sprachen vermutlich darüber, wie sie mich erwischen konnten.
    Ich stürzte mich in die Menge. Würden sie weiter schießen und riskieren, eine echte Person zu treffen?
    Der uralte Instinkt – von jenem in meinen tönernen Körper gebrannt, der mich geschaffen hatte – verlangte zu laufen. Doch ich bekam es jetzt mit anderen Gefahren zu tun; sie gingen von den Archetyp-Menschen um mich herum aus. Ich versuchte, alle Höflichkeitsregeln zu beachten, verbeugte mich und trat zur Seite, wenn Pärchen nur wegen eines Ditos nicht ausweichen oder langsamer gehen wollten.
    Ein oder zwei Minuten lang gab ich mich falschen Hoffnungen hin. Frauen sahen meistens an mir vorbei, als existierte ich überhaupt nicht. Die Männer waren eher verwirrt als feindselig. Ein überraschter Bursche machte sogar für mich Platz, als wäre ich real. Ich lächelte. Eines Tages erweise ich deinem Dito den gleichen Gefallen, Kumpel.
    Doch der nächste Mann gab sich nicht damit zufrieden, dass ich für ihn beiseite trat. Sein Ellenbogen versetzte mir einen kurzen Stoß, en passant, und helle Augen glitzerten, forderten mich zu einer Beschwerde heraus.
    Ich verbeugte mich, rang mir ein schmeichlerisches entschuldigendes Lächeln ab, wich für den Archi zur Seite und versuchte, mich auf eine angenehme Erinnerung zu konzentrieren. Denk ans Frühstück, Albert. An den angenehmen Geruch von Kaffee und frisch gebackenen Muffins. Einfache Freuden, die ich vielleicht wieder genießen konnte, wenn ich die Nacht überstand.
    »Ich« werde sie ganz bestimmt wieder genießen, sagte eine innere Stimme. Selbst wenn dieser Körper es nicht schafft.
    Ja, kam die Antwort. Aber das werde nicht ich sein. Nicht genau.
    Ich schüttelte das alte existenzielle Dilemma ab. Eine billige Gebrauchskop wie ich kann ohnehin nichts riechen. Derzeit fiel es mir schwer genug, das Konzept zu
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