Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erstkontakt

Erstkontakt

Titel: Erstkontakt
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
haben. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sehr sein Sehvermögen im Laufe der Zeit nachgelassen hatte, denn dazu war seine Sehschwäche zu langsam vorangeschritten. Nun sah er die Welt in detaillierter Schärfe, die ramponierten Seiten des Leuchtturms, die Seemöwen, das auslaufende Kriegsschiff.
    Der Aktenkoffer war noch immer aufgeklappt. Und zwischen dem Papierstoß, den Stiften, Gummibändern und Geschäftskarten lagen seine beiden Bifokalbrillen: eine gewöhnliche und eine Sonnenbrille. Beide steckten in Etuis.
    Er nahm die Etuis heraus, öffnete sie und warf die Brillen ins Wasser. Sie sanken schnell in die Tiefe.
    Warm stand die Sonne über dem Wasser.
    Das Motorboot trieb allmählich vom Tiefen Loch fort, am Leuchtturm vorbei und auf die offene See zu. Ein blau-weißes Segelboot fuhr vorbei und näherte sich Harrys Boot dabei um nicht mehr als zweihundert Fuß. Zwei junge Frauen bildeten offenbar die gesamte Besatzung.
    Beide waren sie wunderschön.
    »Zum Teufel«, sagte Harry. Er holte das Päckchen mit den CDs aus dem Beutel und legte es zurück in den Aktenkoffer. Dann startete er den Motor und steuerte wieder die Küste an. Zwei Stunden später legte er die Datenträger in sein Bankschließfach.
     
    Pete Wheeler war überglücklich, einen Abend im Noviziat einkehren und Bridge spielen zu können. Sie begannen pünktlich um acht Uhr abends und spielten bis elf. Zwar war Bruder Sunderland mit den Gedanken nicht ganz beim Spiel, trotzdem gelang es Wheeler und Harry lediglich, mit einer passableren Punktedifferenz zu verlieren als sonst.
    »Ihr beide macht einen niedergeschlagenen Eindruck heute abend«, bemerkte Sunderland gegen Ende des Spiels. »Stimmt etwas nicht?«
    Harry war gar nicht aufgefallen, daß der von Natur aus reservierte Wheeler stiller als gewöhnlich gewesen war. Allerdings hatte Sunderland recht damit, daß Harry den Abend über in düsteren Gedanken versunken gewesen war. »Ich brauche vielleicht einfach mehr Asse«, antwortete er.
    Wheeler zuckte nur mit den Schultern, aber als sie das Noviziat verließen und über den unbeleuchteten Parkplatz schlenderten, fragte Harry ihn, ob ihm der Herkules-Text noch immer zu schaffen mache.
    »Natürlich«, sagte er. »Wir haben einen großen Verlust erlitten.«
    Am Nachthimmel funkelten zahlreiche Sterne. Der Mond stand im ersten Viertel und erhob sich soeben über die Baumwipfel. Harry verlangsamte seinen Schritt ein wenig. »Sie haben bisher immer den Standpunkt vertreten, daß es uns besser erginge, wenn wir uns der Daten der Altheaner entledigten.«
    »Das stimmt, und so denke ich noch immer.«
    »Was also beschäftigt Sie?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist ein wenig so, als zeigte man mir ein Menge wertvoller Dinge, und ich müßte feststellen, kein einziges davon besitzen zu können.« Er blieb stehen und schaute in den Himmel.
    »Darüber kommen wir schon hinweg, Pete.«
    »Ich weiß.«
    Sie erreichten den Wagen. »Es lag in unseren Händen, Harry«, sagte er.
    »Haben Sie Vertrauen«, erwiderte Harry.
    Wheeler nickte, vermied aber, Harry direkt anzublicken.
    »Es fehlt Ihnen, stimmt’s?« fuhr Harry fort und wußte zugleich, daß er sich mit dieser Frage in unerforschte Gewässer begab, die er besser meiden sollte.
    »Was soll mir fehlen?«
    »Großes Gottvertrauen.«
    Die Nacht war kalt, und Wheeler knöpfte sich den Sweater zu. »Eigentlich nicht«, sagte er.
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    Wheeler gab keine Antwort.
    »Entschuldigung«, sagte Harry, »das geht mich wirklich nichts an.«
    Der Priester zuckte die Achseln. »An einer Stelle schreibt Feynman, daß das Universum zu groß sei, Harry. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Gott all diesen Platz nur für uns gebraucht hat.«
    Harry schloß den Chrysler auf, und sie stiegen beide ein. »Unser Universum wirft die Schöpfungsgeschichte der Bibel völlig über den Haufen«, fuhr Wheeler fort. »Es scheint so, als ob der Gott des Christentums einfach nicht so recht zu dem Universum paßt, in dem wir leben.« Er setzte sich aufrecht hin und starrte durch die Windschutzscheibe auf die dunkle Baumreihe. »Ich weiß nicht, wie ich es in Worte fassen soll. Aber mein Instinkt sagt mir, daß wir die Sache falsch angehen.«
    »Tut mir leid«, sagte Harry.
    »Das muß Ihnen nicht leid tun. Sie können nichts dafür. Niemand kann etwas dafür.«
    Harry startete den Motor. »Sie sind Ihr ganzes Leben lang Astronom gewesen. Wenn Sie mir die Frage gestatten, wüßte ich gern, wann es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher