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Erstkontakt

Erstkontakt

Titel: Erstkontakt
Autoren: Jack McDevitt
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einen Krieg mit ihr gestürzt. Aber das alles ist schon zwei Jahrhunderte her. Nun herrscht Friede, ein brüchiger Friede allerdings, und es tauchen Beweise auf, daß ein gefeiertes Ereignis während des Krieges sich vielleicht doch nicht ganz so abgespielt hat, wie es in den Geschichtsbüchern steht.
    Das ist wahrscheinlich der geeignete Zeitpunkt, Lewis Shiner zu erwähnen, einen Autor und Herausgeber, den ich während der Arbeit an A Talent for War kennengelernt habe. Wir nahmen beide am Sycamore Hill Workshop in Raleigh, N.C. teil. Eines Tages beschrieb ich Lew eine Schlüsselszene des Romans. Die Szene funktionierte nicht so, wie ich wollte, und ich wußte nicht, was ich tun sollte.
    Lew schloß die Augen und dachte kurz darüber nach. »Du arbeitest zu instinktiv«, sagte er. Dann zuckte er mit den Schultern. »Halt dich ein wenig im Zaum.«
    Lew mag die übermäßige Gewalt nicht, die man in allzu vielen Büchern und Filmen findet. Nicht nur, so erkannte ich, weil er Gewalt für ein Zeichen schlechten Geschmacks hielt, sondern auch weil Charaktere, die als erstes immer zur Waffe greifen, dazu neigen, flach zu wirken. Sie sind langweilig. So verhalten sich keine normalen Menschen. Lediglich die Verrückten bilden da eine Ausnahme, da sie erst interessant werden, wenn sie den Abzug ziehen; aber mit denen würde auch niemand eine gepflegte Konversation führen wollen. Asimov hat irgendwann einmal gesagt, die übermäßige Darstellung von Gewalt beweise nicht nur einen Mangel an Anstand, sondern auch an Phantasie.
    Sie werden die Szene erkennen, wenn Sie sie lesen. Die Shiner-Version ist weit kraftvoller als meine eigene.
     
    Jack McDevitt
    Brunswick, GA
    24. Juni 1999



 
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    Harry Carmichael nieste. Seine Augen waren gerötet, seine Nase lief, und er hatte Kopfschmerzen. Es war Mitte September, und die Luft war voller Pollen von Ambrosia, Gänsefuß und Distel. Er hatte seine Medikation für den Tag bereits eingenommen, die ihn aber nur schläfrig werden ließ.
    Durch die facettierten, getönten Glasfenster des Wilhelm Tell beobachtete er den Ramsay Kometen. Er war jetzt nicht mehr als ein heller Fleck zwischen den kahlen Ästen einer Ulmengruppe, die den Parkplatz säumte. Sein kaltes, unstetes Leuchten ähnelte dem Schimmer in Julies grünen Augen, die sich an diesem Abend ausschließlich mit dem langen, schlanken Stiel eines Weinglases zu beschäftigen schienen. Sie hatte alle Versuche aufgegeben, die Unterhaltung in Gang zu halten, und saß jetzt in verzweifelter Stille da. Harry tat ihr leid. In einigen Jahren, so wußte Harry, würde er auf diesen Abend zurückblicken, sich an diesen gemeinsamen Moment erinnern; er würde sich ihrer Augen und des Kometen entsinnen, und auch die mit alten Büchern vollgepackten Regale sähe er wieder vor sich, die in dem nur schwach erleuchteten Raum Atmosphäre erzeugen sollten. Er würde sich an seine Wut und das furchtbare Gefühl des drohenden Verlustes erinnern und an das betäubende Bewußtsein der eigenen Hilflosigkeit.
    Aber am deutlichsten wäre da ihr Mitgefühl, das seine Seele peinigte.
    Kometen und Unglück: Der Himmel paßte dazu. Ramsay würde in zweihundertzwanzig Jahren wieder zurückkehren, aber er war im Begriff zu zerfallen. Die Wissenschaftler sagten voraus, daß er bei seinem nächsten Besuch, oder dem übernächsten, nur noch ein disparates Gebilde aus Fels und Eis wäre. Genau wie Harry.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es ist nichts, was du getan hast.«
    Natürlich nicht. Was könnte sie schon gegen den guten alten Harry vorbringen, der seine Schwüre immer ernst genommen hatte, bei dem man sich stets darauf verlassen konnte, daß er das Richtige tat, und der immer ein zuverlässiger Versorger gewesen war? Nichts anderes, als daß er sie vielleicht zu sehr geliebt hatte.
    Er hatte gewußt, daß es soweit kommen würde. Julie hatte ihr Verhalten ihm gegenüber schrittweise, aber stetig verändert. Die Dinge, über die sie früher gelacht hatten, wurden zu kleinen Reizfaktoren, und die Reizfaktoren störten ihr Leben, bis Julie sich sogar über Harrys Gegenwart ärgerte. Und nun saßen sie hier wie zwei Fremde, die darauf bedacht waren, durch den Tisch voneinander getrennt zu sein, und Julie schnitt mit einem blinkenden Messer in das Stück Fleisch auf ihrem Teller, das ein wenig zu roh war, und versicherte ihm zugleich, daß er keinerlei Schuld für ihr Verhalten trage.
    »Ich brauche nur etwas Zeit für mich selbst, Harry. Um über
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