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Erstkontakt

Erstkontakt

Titel: Erstkontakt
Autoren: Jack McDevitt
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in greifbare Nähe rücke. Jeden Monat, so kam es Harry vor, erschien ein weiterer Artikel, der auf die eine oder andere Art einen medizinischen Durchbruch verhieß. Trotzdem änderte sich nie etwas.
    »Wir könnten es versuchen«, sagte er.
    »Du klingst nicht gerade hoffnungsvoll.«
    »Ich will nur nicht, daß er sich schon wieder einem Test unterziehen muß, der keine reelle Aussicht auf Erfolg verspricht, Julie.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie. »Aber wir müssen es versuchen.«
    Sie einigten sich, einen anderen Spezialisten aufzusuchen und ihm Kilgores Diagnose vorzulegen. Das konnte gewiß nicht schaden.
    Dann beendete sie das Gespräch, und Harry fuhr auf dem Aris Allan nach Süden, vorbei an weißen Palisadenzäunen, weiten Rasenflächen und gut gepflegten Kirchen. An einem Kanalarm bog er mißmutig in Richtung Bucht ab, hielt kurz an, um eine Frau mit einem Kinderwagen die Straße überqueren zu lassen, und fuhr dann weiter zum Hafen von Annapolis. Er parkte direkt am Wasser und sah hinaus auf die Chesapeake Bay, die im Mittagslicht glitzerte.
    Überall waren Piers, Boote und Geschäfte. Eine Jacht fuhr mit vollen Segeln durch die Bucht in Richtung Süden. Harry mietete ein Motorboot und hoffte, einen falschen Namen angeben zu können. Natürlich wollte der junge Angestellte Harrys Führerschein sehen, und da er keine Fälschung besaß, mußte er den echten vorlegen. Zum Teufel, was sollte schon geschehen? Wenn ihm später jemand Fragen stellte, könnte er behaupten, er habe lediglich Rosenblooms Rat befolgt und sich ein wenig Freizeit gegönnt.
    Der Angestellte des Bootsverleihs war ein schlaksiger, gelangweilter Teenager, der sogar zu begriffsstutzig war, um sich über die Aktentasche zu wundern, die Harry mit an Bord nehmen wollte. Der Junge brachte das Boot an den Pier, Harry stieg ein und fuhr gemächlich auf die Bucht hinaus.
    Das Boot verfügte über einen Tiefenmesser, und Harry beobachtete die Skala, während er auf den Leuchtturm von Love Point zusteuerte, der sich auf der gegenüberliegenden Seite befand. Noch einige weitere Boote waren draußen; in einem fütterten die Insassen die kreischenden Möwen mit Popcorn. Die Möwen wirbelten in Wolkenschwärmen durch die Luft, und einige inspizierten Harry im Vorbeiflug, um in Erfahrung zu bringen, ob auch er Futter für sie bereithielt.
    Es war ein freundlicher, warmer Nachmittag, und das Wasser war ruhig und glatt.
    Eine Jacht fuhr vorbei. An Bord befanden sich ein Mann und zwei Kinder; ein Junge und ein Mädchen, beide etwa vier oder fünf Jahre alt. Sie trugen Matrosenmützen und maßgefertigte Schwimmwesten. Der Junge spielte mit den Möwen, während das Mädchen verzückt den Leuchtturm betrachtete.
    Sie bemerkte Harry und winkte ihm zu. Harry winkte zurück.
     
    Der Leuchtturm sah aus wie eine lange, rostige Blechdose, die hoch aus dem Wasser ragte. Er wurde größer, je näher Harry dem östlichen Ufer kam. Allmählich wurde das Wasser tiefer, zunächst sechzig Fuß, dann neunzig. Ungefähr eine Viertelmeile vom Leuchtturm entfernt betrug die Wassertiefe zweihundertzehn Fuß. Das Tiefe Loch. Soweit Harry wußte, hatte er soeben die tiefste Stelle der Bucht erreicht.
    Der Grund bestand aus weichem Schlamm. Ein idealer Ort, sich eines Gegenstandes zu entledigen. Harry stellte den Motor ab, das Boot trieb noch ein Stück und schaukelte schließlich sacht in der Strömung. Er öffnete den Aktenkoffer und holte das Päckchen heraus. Einige Seemöwen flatterten herbei, inspizierten Harry und verloren bald wieder das Interesse. Er steckte das Päckchen in den Kunststoffbeutel und legte Robert E. Lee dazu. So möge es allen Rebellen ergehen, dachte Harry, während er den Beutel verschloß und einige Löcher hineinstach, damit Wasser eindringen könnte.
    Eine leichte Brise wehte ihm eine Haarsträhne in die Augen, und das Wasser schwappte gegen den Dollbord des Bootes, ansonsten jedoch war es vollkommen still. Er beugte sich über die Bootkante, schaute aufs Wasser und stellte sich vor, die tiefen Fluten mit seinem Blick durchdringen zu können. Das Motorboot schaukelte. Weit im Süden sah er den schmalen, grauen Umriß eines Kriegsschiffes, vermutlich eines Zerstörers, der auf die offene See auslief.
    Wirf das Ding in die Bucht, und es ist vorbei.
    Es fiel ihm schwer, die Aufgabe hinter sich zu bringen.
    Harry betrachtete die östliche Küste der Bucht, sah Autos, Häuser und Menschen. Welch eine Freude es war, die volle Sehkraft wiedererlangt zu
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