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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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schweigend den Strand.
    »Es war ungefähr hier, oder?« fragte Jon schließlich.
    Kate blickte sich um. Es gab keine Orientierungspunkte mehr; der Buckel der Düne war verschwunden; die abschüssige Stelle, wo sie und Alison gekauert hatten, gab es nicht mehr. Der Sand um sie herum sah aus, als sei er mit einem riesigen Löffel umgeschaufelt und zu einer Reihe sanfter, bogenförmig eingedrückter Buckel geformt worden.
    Sie lächelte. Ihre Erleichterung war überwältigend. »Es ist weg. Keine Spur mehr davon.«
    Sie hatte damit gerechnet, etwas von Marcus zu spüren œ Ärger, Wut, Angst-, die heimtückischen Gefühle aus einem anderen Zeitalter, aber es gab nichts mehr davon. Die Luft war frisch und kühl, angefüllt mit den Schreien der Seevögel und dem wogenden Zischen, mit dem die Wellen unermüdlich gegen den Sand stießen.
    »Es ist weg«, sagte sie noch einmal, während sie seine Hand in die ihre zog.
    Zu ihrer Überraschung lachte er. »Nein«, sagte er. »Nein, es ist nicht weg. Nicht ganz. Da, schau.«
    Es war ein Stück gebogenes Metall, wieder aus den Tiefen des Sandes nach oben gerissen und über und über mit Tang bedeckt. Jon bückte sich und hob es auf. »Ein Halsreif. Dein Halsreif?« Er hielt ihn ihr hm.
    Sie nahm ihn nur zögernd. »Ich dachte, er sei verschwunden.«
     
    Ein Schatten auf dem Sand. Nion wartete, unsichtbar. Sein Halsreif, der Halsreif, den Claudia, ihm gegeben hatte, den er als Gabe an die Götter hinausgeschleudert hatte, befand sich, ein gebogener, korrodierter Halbmond aus unnützem Metall, in der Hand der lebendigen Frau. Er konnte spüren, wie es ihn unwiderstehlich zu ihr z og, hin zu der Frau, die seinen Halsreif in der Hand hielt, und zu dem Mann, der sie liebte, dem Mann, der ihm Kraft geben würde.
     
    Hinter ihnen blieb Greg am Rande des Strandes kurz stehen. Idioten. Konnten sie nicht die Finger davon lassen? Er ballte die Fäuste. Kapierten sie denn nicht? Hier war es passiert. Die römische Frau, Claudia, und ihr Geliebter. Ihr britannischer Geliebter. Tot. Beide. Im grellen Licht, das vom Meer kam, zog er die Augen zusammen. Zwei Männer liebten eine Frau. Eine Geschichte, so alt wie die Welt.
    Er hinkte langsam auf sie zu, und Jon ließ Kates Hand fallen, fast schuldbewußt.
    »Ist euch klar, daß es ein anderer Mann war, der zwischen sie getreten ist«, sagte Greg, im Plauderton, als er sie erreichte. »Warum sonst hätte Marcus seine schöne Frau töten sollen?« Er nahm Kate den Halsreif aus der Hand, drehte ihn herum, starrte ihn an und zupfte den klebrigen, hartnäckigen Tang ab. »Warum glaubt ihr wohl, haben wir nichts von ihm gehört, von ihm, dem Geliebten? Marcus hat ihn umgebracht, hat ihn ebenfalls getötet, habe ich recht?« Sem Blick wanderte von Kates Gesicht zu dem von Jon.
    Hinter ihnen, Schatten im Wind, kamen Nion und Claudia näher. Bald würden sie vereint sein.
    »Laß uns zurückgehen, Greg.«
    Kate machte ein paar Schritte von ihm weg, auf das Meer zu. Sie spürte, wie ihr der Wind die Haare aus dem Gesicht zog. »Das Grab ist weg. Es ist nichts mehr zu sehen.«
    Greg starrte auf den Halsreif in seiner Hand, über seinen graugrünen Augen lag ein Schleier. »Sie sind hier«, flüsterte er. »Marcus ist hier und Claudia, und der andere auch, der Liebhaber. Ich kann sie fühlen. Sie sind hier an diesem Strand, gefangen. Eine ewige Dreiecksbeziehung.«
    »Greg -«, unterbrach ihn Kate beklommen. »Laß uns zurückgehen.«
    »Warum?« In seinem Blick lag offene Feindschaft.
    »Weil es spät ist. Jon und ich müssen los. Es ist eine lange Fahrt zurück nach London.«
    »Nein.« Er wandte sich von ihnen ab und starrte hinaus auf das Meer. »Nein, das glaube ich nicht. Du magst London nicht wirklich, weißt du noch?«
    Jon runzelte die Stirn, er musterte den anderen Mann vorsichtig. Verstohlen legte er die Hand auf Kates Arm und zog sie weg. »Gehen wir«, flüsterte er. Fast verloren sich seine Worte im Tosen des Meeres. Nickend drehte sie sich um, um ihm zu folgen, aber Greg hatte es bemerkt. Er wirbelte herum und seine Augen glühten vor Wut. »Nein. Du gehst nirgendwohin.«
    Er konnte Marcus jetzt deutlich fühlen. Nah. Drängend. Voller Eifer.
    »Sei nicht so verbohrt, Greg.« Kates Stimme war scharf. »Wir gehen jetzt. Wenn du hierbleiben willst, ist das deine Sache.« Sie begann, landeinwärts zu gehen, kehrte der Stelle den Rücken zu, wo die Ausgrabung gewesen war.
    Hinter ihnen starrte Greg wieder auf den Halsreif. Plötzlich waren
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