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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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etwas bestimmter: »Nein, ich denke eigentlich nicht, daß einer von uns für die Ehe geschaffen ist. Wenigstens nicht im Moment.«
    »Aber du kannst dir vorstellen, noch lange mit ihm zusammenzuleben.« Für einen Augenblick herrschte Stille. Kate sah ihre Schwester gedankenverloren an. »Warum willst du das wissen?«
    »Man hat mir eine Stelle in Edinburgh angeboten. Wenn ich zusage, muß ich die Wohnung aufgeben.«
    »Ich verstehe.« Kate schwieg einen Moment lang. Es war also an der Zeit, die Brücken hinter sich abzubrechen. »Was passiert mit Carl Gustav?«
    »Oh, den nehme ich mit. Wir haben es ausführlich miteinander besprochen.« Anne beugte sich zu ihm hinunter und streichelte den Kater zärtlich. Er hatte immer mehr zu ihr als zu Kate gehört. »Das siehst du doch auch so, was, C. J.?«
    »Und die Stelle sagt ihm ebenfalls zu?«
    »Eine sehr gute Stelle. An der Universität. Ein weiterer Schritt diese gräßliche Leiter hoch, die wir doch alle unermüdlich erklimmen sollen.«
    Kate wandte sich ab, überrascht von der plötzlichen Traurigkeit, die sie bei dem Gedanken, Anne zu verlieren, durchfuhr. »Hast du Mum und Dad schon davon erzählt?«
    Anne nickte. »Sie sind dafür. Von Edinburgh aus kann ich sie genauso oft besuchen. Es ist ja nicht das Ende der Welt, Kate. Es sind nur sechshundert Kilometer.«
    Kate lächelte. »Na ja, wenn C. J. dafür ist, und wenn Mum und Dad dafür sind, dann wird es wohl okay sein. Meinen Segen hast du jedenfalls, wenn du die Wohnung loswerden willst. Ich hänge mich dann eben eine Weile an Jon ran!«
    Doch das tat sie nicht.
    Es war vertrackt, dachte sie, daß sie und Jon ausgerechnet an dem Tag, der Annes Umzug in ihre neue Wohnung in Royal Circus folgte, ihren ersten ernsthaften Streit hatten. Es ging um Geld. Um ihr Geld.
    »Wieviel zahlen sie dir?« fragte er sie erstaunt.
    Sie schob ihm den Brief hin. Er las ihn langsam. »Das ist ein Vertrag für Amerika! Das hast du seit Monaten gewußt.« Er reagierte verletzt und voller Vorwurf.
    »Ich wollte nichts davon erzählen, bevor es nicht sicher war. Du weißt doch, wie lange so etwas dauert -« Sie hatte die Neuigkeit als Überraschung aufheben wollen, hatte geglaubt, er würde sich freuen.
    »Gott im Himmel! Das ist ungeheuerlich!« Er war aufgesprungen. »Mir zahlen sie ein paar armselige hundert Dollar Vorschuß für meinen letzten Gedichtband, und du -« er stotterte vor Entrüstung œ »du kriegst das!« Er warf den Brief auf den Boden.
    Sie starrte ihn schockiert an. »Jon -«
    »Ja, ich weiß, Kate, du schreibst verdammt gut, aber das ist doch keine Literatur!«
    »Im Gegensatz zu deinen Büchern, nicht wahr?«
    »Ich glaube nicht, daß es irgendwen gibt, der das bestreiten würde.«
    »Nein. Bestimmt nicht.« Sie holte tief Luft.
    Plötzlich wurde ihm bewußt, wie sehr er sie verletzt hatte. Im stillen verfluchte er seine Unbeherrschtheit. Er legte den Arm um ihre Schultern. »Ach komm, du kennst mich doch. Das war alles nur dummes Gerede. Ich hab‘s nicht so gemeint. Ich weiß, du bist verflucht gut. Du arbeitest hart! Gib nichts drauf! Ich habe mich nur auf den Schlips getreten gefühlt. Nein, ich war richtig eifersüchtig.« Er umarmte sie. »Ich könnte sogar meinen Stolz vergessen und mir was von deinem Geld borgen.«
    Es war das erste Mal, daß sie, wenn auch nur andeutungsweise, etwas von seinen finanziellen Problemen erfuhr.
    Es gelang ihm sogar, in ihr ein Schuldgefühl wachzurufen. Das wurde ihr später klar. Es war eine subtile Manipulation gewesen; ein meisterhafter Schachzug. Sie drängte ihm das Geld geradezu auf, schenkte es ihm, lieh es ihm, entschuldigte sich mit jedem Scheck stillschweigend dafür, daß sie Geld verdiente und er nicht. Am Ende hatte sie nicht einmal mehr tausend Pfund auf der Bank und, obwohl er hoch und heilig versprochen hatte, ihr alles zurückzuzahlen, keine Aussicht, irgendwoher Geld aufzutreiben œ bis zum nächsten Tantiemenscheck im Sommer. Trotzdem war es nicht allein der zunehmende finanzielle Druck, der schließlich zwischen sie trat. Es war etwas Plötzliches, etwas Unerwartetes.
    Es war an einem kalten, ungemütlichen Novembertag. Jon fand sie auf der Galerie der Handschriftenabteilung des Britischen Museums, von wo aus sie auf die flache Glasvitrine hinunterblickte. Ein offenes Buch starrte zu ihr herauf, Byrons unleserliche, schräge Schrift, oft durchgestrichen, die über die Seite mit der Widmung für Don Juan floß. Die Atmosphäre der Galerie, die
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