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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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Beute und zerrte sie zerstückelt hinaus, um sie an einer anderen Küste abzulagern.
    Als das Wasser tief in den Lehm einsickerte, forschend, saugend, aufwühlend, begannen sich die letzten Fetzen der zu Leder gewordenen Haut aufzulösen. In der Nähe sank der goldene Halsring tiefer in den Schlick und kam schließlich auf dem Zahn eines Mammuths zur Ruhe, das viel früher Opfer des schlammigen Sumpfes geworden war.
    Nion war jetzt auf der Suche. Verloren. Claudia war verschwunden, war den Menschen gefolgt und der Energie, die sie lieferten. Der Strand war menschenleer. Er war wieder allein. Er spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg. War er doch an diesen Ort gefesselt? In alle Ewigkeit an ihn gefesselt? Das Meer um ihn herum hatte sich besänftigt; das Wasser hatte aufgehört, den Strand anzugreifen; jetzt liebkoste es ihn wie ein Liebender, der eine lang geplante Eroberung gemacht hatte. Er hatte sie gesehen: die Frau und die Männer. Beide liebten sie. Er hatte ihre knisternde Feindseligkeit bemerkt, empfunden, wie stark sie war. Die Geschichte wiederholt sich also.
    Amüsiert wartete er. Sie hatten erraten, was hier geschehen war. Sie kannten das Geheimnis des Römers. Sie haßten ihn, aber sie fürchteten ihn auch. Er war mächtig, Marcus Severus Secundus.
    Mächtig und verschlagen, trotz der panischen Angst, die der Feigling schließlich im Augenblick seines Todes verspürt hatte.
    Anne hatte eine Suppe gekocht, als sie zurückkamen. Durchgefroren und erschöpft saßen sie dankbar um den Tisch: der Taxifahrer, der Polizist, der Dichter, der Maler, die Psychologin und die Schriftstellerin. Auf dem Sofa schlief Paddy weiter. Einmal war er aufgewacht und hatte sich aufgesetzt, den Kopf in die Hände gelegt und sich das Gesicht gerieben. »Ist es wahr, das mit Dad? Oder habe ich es nur geträumt?« Er sah Anne flehend an.
    »Ich fürchte, es ist wahr, Patrick.« Sie setzte sich neben ihn, legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und tröstete ihn, bis er wieder eingeschlafen war.
    »So. Und was passiert jetzt?« Jon sah Bob Garth an.
    Vor zehn Minuten war über das Funkgerät des Konstablers die Nachricht gekommen, daß ein Polizeiauto unterwegs war, um ihn abzuholen. Der junge Mann nahm sich ein Stück Brot aus dem Korb und bestrich es dick mit Butter. »Sobald der Wagen kommt, fahre ich zurück und erstatte Bericht über das, was wir gefunden haben. Ich kann Sie mitnehmen, Mr. Cutler, wenn Sie möchten und auch alle anderen, die nicht länger hierbleiben wollen.« Er sah von einem zum anderen.
    »Du fährst mit, Anne«, sagte Kate ruhig. »Du kannst es dir nicht leisten, noch länger weg zu sein.«
    »Ich lasse dich hier nicht allein.« Anne sah ihr entschlossen in die Augen.
    »Mach dir keine Sorgen um Kate. Ich passe schon auf sie auf. Sie kommt mit mir zurück«, sagte Jon bestimmt.
    Kate schüttelte den Kopf. »Ich komme nicht wieder nach London, Jon. Noch nicht.« Sie war zu durcheinander und zu schockiert von allem, was geschehen war, um Entscheidungen zu treffen. »Vielleicht komme ich zu Bills Begräbnis, und dann, habe ich gedacht, fahre ich eine Weile zu meinen Eltern. Weihnachten wollte ich sowieso hinfahren.«
    »Kate -« Jon sah sie an, plötzlich in Panik. »Bitte -«
    »Bleib hier, Kate«, warf Greg leise ein. »Wenigstens, bis das Cottage wieder trocken ist. Es dauert nicht lange.«
    »Sie geht nicht dorthin zurück!« unterbrach Jon. »Nach allem, was passiert ist. Sie müssen verrückt sein -«
    »Wir haben vereinbart, daß sie sechs Monate bleibt.« Gregs Stimme war sehr ruhig.
    »Seit dieser Vereinbarung ist schrecklich viel passiert.« Kate schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, aber ich kann nicht hierbleiben, Greg. Jetzt nicht mehr. Nicht, nachdem Bill -«
    Plötzlich drang ein herrisches Knacken von Bob Garths Funkgerät durch Gregs wachsende Wut. Garth nahm den Hörer aus der Klammer und hob ihn an sein Ohr. Er blickte von Gesicht zu Gesicht, während er aufmerksam der Nachricht lauschte, dann grinste er. »Na also«, sagte er. »Das sind gute Neuigkeiten. Die Farnboroughs fahren nach Hause. Mrs Farnborough hat zwei gebrochene Rippen, und die kleine Susie leidet unter Erschöpfung, das ist alles. Mrs Lindsey bleibt über Nacht mit der kleinen Alison im Krankenhaus. Sie glauben nicht, daß ihr etwas fehlt, aber sie machen vorsichtshalber noch eine Computertomographie von ihrem Gehirn.« Er stand auf. »Na, wer kommt jetzt mit? Haben Sie sich entschlossen?« Er konnte es kaum erwarten,
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