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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt
Autoren: Cate Tiernan
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Zettelkasten.
    Nach dem Essen sah ich auf den Plan mit den abendlichen Pflichten und hatte wie durch ein Wunder keinen Unterricht, keine Pflichten, gar nichts zu tun. Das passierte nur ein-oder zweimal pro Woche. Jippieh! Ich ging nach oben, nahm ein heißes Bad und rollte mich mit einem Buch über irische Kräuterheilkunde auf meinem schmalen Bett zusammen. Ja, ich weiß, ich kann nichts dagegen tun: Ich bin das totale Partygirl. Schon bald war ich in die Wunder und Freuden von Augentrost, Mutterkraut, Schlüsselblume und Löwenzahn ver-tieft. Natürlich bin ich lange vor der Zeit der chemischen Arzneimittel geboren worden und Pflanzen waren die Hauptbestandteile unserer Hausmittelchen gewesen, ebenso wie Hirschblut, Spinnweben und Ähnliches. Aber die Wirkung der verschiedenen Pflanzen änderte sich, wenn man sie zu magischen Zwecken verwendete. Ich hatte noch so viel zu lernen!
    Es.war faszinierender Stoff und ich musste erst zwei-oder dreimal einnicken, bevor ich es aufgab und meinen Augen erlaubte, geschlossen zu bleiben. Ich war noch nicht ganz eingeschlafen - ich konnte durch meine geschlossenen Lider noch das Licht der Leselampe spüren und war mir vage meines kleinen Zimmers und der Dunkelheit draußen bewusst.
    Aber dann driftete ich davon, träumte und wachte in einem Wald auf. Vor ein paar Hundert Jahren standen überall Wälder, und um von Punkt A nach Punkt »Irgendwo Anders« zu kommen, musste man fast immer durch einen Wald gehen.
    Ich steh da nicht drauf. Gelegentlich mal ein Baum, klar. Ein Wäldchen, durch das man hindurch sehen kann, kein Problem. Aber keine Wälder. Die sind dunkel, die scheinen kein Ende zu nehmen, man kann sich unheimlich leicht darin verlaufen und sie sind voll von Geräuschen und flatternden Dingen und Ästen, die hinter einem knacken. Meiner Erfahrung nach meidet man sie am besten.
    Aber hier war ich nun. Ich fühlte mich an wie ich, konnte mich gleichzeitig aber selbst sehen, so wie das in Träumen manchmal ist. Ich sah wieder aus wie vor River, mit schwarzen Haaren, schwarz geschminkten Augen und superdünn und blass. Das war jahrelang normal für mich gewesen.
    Rückblickend muss ich sagen, dass ich ausgesehen habe wie Edward mit den Scherenhänden, nur ohne die Scheren. Ich bekam sofort Angst und fühlte mich verloren, lief um Bäume herum und zwängte mich durch dichtes Gestrüpp, das mich ausbremste. Mein Gesicht und meine Arme waren zerkratzt und brannten. Auf dem Boden lagen dicke Schichten von altem Laub und es fühlte sich an, als liefe ich auf dem Mond.
    Ich war verstört, wurde immer verstörter und suchte nach etwas. Ich wusste nicht, nach was. Ich wusste nur, dass ich es irgendwie finden musste und mir die Zeit davonlief. Ich hasste es, in diesem Wald zu sein, und versuchte, schneller zu laufen, was aber nur dazu führte, dass ich noch mehr zerkratzt wurde. Ich hatte längst die Hoffnung aufgegeben, jemals dorthin zurückzufinden, von wo ich losgegangen war.
    Ich rechnete auch nicht mehr damit, jemals wieder herauszukommen, aber es drängte mich vorwärts, suchend, und meine Angst und Anspannung wuchsen bei jedem Schritt. Das Licht verblasste, die Zeit verging und als die Nacht hereinbrach, überfiel mich eine böse Vorahnung. Ich war den Tränen nahe und ziemlich hysterisch - ich sehnte mich verzweifelt nach einem Feuer, einem Freund, Hilfe. Aber ich konnte auch nicht stehen bleiben - etwas Schlimmes würde passieren, wenn ich stehen blieb. Und dann - da, links von mir! Es sah aus wie - es war ein Feuer! Ich eilte auf das Licht zu. Der anheimelnde Geruch des Holzrauchs zog mir durch die Bäume entgegen. Ich hörte eine Stimme. War das ... Gesang? Es war Gesang. Ich zwängte mich durch ein paarstachlige Zweige und landete auf einer kleinen Lichtung, wo ein Feuer in einem Steinkreis wild flackerte.
    »Nas.« Mein Kopf fuhr hoch, als ich die Stimme hörte. Es war die von Innocencio,. meinem besten Freund der letzten hundert Jahre, der aus dem Dunkel des Waldes hervorkam. »Incy! Was machst du hier?«
    Er lächelte und sah überirdisch gut aus. Seine Augen waren so dunkel, dass sich die Flammen darin spiegelten. Ich starrte ihn an und war alarmiert, streckte aber trotzdem die Hände dem wärmenden Feuer entgegen.
    »Ich habe auf dich gewartet, Darling«, sagte Incy mit einer Stimme, die so verführerisch war wie süßer Wein. »Komm, setz dich und wärm dich auf.« Er deutete auf einen
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