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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt
Autoren: Cate Tiernan
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konnte. »Da ist etwas im Stall, das du sehen solltest.«
    Meine Augen wurden groß. »Machst du Witze?«
    Er seufzte ungeduldig. »Das ist kein Trick. Ich dachte, du würdest es gern sehen. Und es ist zufällig im Stall.«
    Es war im Stall gewesen, wo wir uns das erste Mal geküsst hatten, wo sein Mund und seine Hände Nervenenden bei mir geweckt hatten, die ich längst für tot erklärt hatte. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, an seine harten Muskeln, sein Drängen, musste ich ein hörbares Wimmern unterdrücken. Im Stall war uns auch bewusst geworden, dass wir eine grausige Vergangenheit teilten: Sein Vater, der Anführer des blutrünstigen Wikingerclans, hatte die Burg meines Vaters gestürmt. Sie hatten alle außer mir getötet - ich war vom toten Körper meiner Mutter verdeckt gewesen. Zuvor aber, kurz bevor sie selber getötet wurde, hatte meine Mutter Reyns Bruder mit ihrer Magie lebendig gehäutet und mein älterer Bruder hatte seinem Bruder den Kopf abgeschlagen. Und als sein Vater und einige andere später versuchten, das Amulett meiner Mutter zu benutzen, waren sie in Flammenaufgegangen. Reyn hatte mit angesehen, wie sie neben ihm zu Asche verbrannten.
    Anne hatte mir erzählt, dass er schon fast dreihundert Jahre daran arbeitete, seine Berserker-Vergangenheit zu überwinden. Ich nahm an, dass mehr dazu gehörte, als hundertmal »Ich werde keine Dörfer mehr niederbrennen« an die Tafel zu schreiben.
    Und er und ich hatten geknutscht wie liebestolle Kids von der Highschool.
    Er seufzte wieder: Ich war eine solche Nervensäge. Dann sagte er: »Bitte.«
    Oh, er benutzte fiese Tricks.
    Ich stieß ebenfalls einen betont genervten Seufzer aus und zog Jeans über meine lange Unterhose. Ich sparte mir die Mühe, meine Turnschuhe zuzubinden, und wickelte mir nur den Schal enger um den Hals, als ich Reyn nach unten in die leere Halle folgte. Ehrlich gesagt war ich ganz froh, eine Weile aus dem Zimmer zu kommen, in dem ich immer noch einen Hauch von verbranntem Fleisch zu riechen glaubte. Draußen war es feuchtkalt und meine Nase verwandelte sich in Eis. Ich hasste es, wie dunkel es hier war. Seit ich das erste Mal eine Stadt erreichen konnte, hatte ich immer in Städten gelebt. Doch hier waren wir schon nach zehn Metern von einer samtigen Schwärze umgeben, die sich über mich legte wie ein erstickender Vorhang. Ich rückte unauffällig näher an Reyn heran, denn irgendwie wusste ich, dass er mich trotz allem vor Trollen oder Landhaien oder tödlichen Ex-Freunden oder allem anderen beschützen würde, das nachts sein Unwesen trieb. Als wir endlich den Stall er;reichten, hechtete ich förmlich durch die Tür und in die relative Wärme der nach Heu duftenden Luft.
    Drinnen war es halbdunkel und still, nur gelegentlich bewegte sich ein Pferd in der Box. Es gab zehn Boxen, aber nur sechs waren mit Rivers Pferden belegt. Die Pferde zu putzen und ihre Ställe auszumisten, gehörte zu den Aufgaben, die ich am meisten verabscheute. Das hatte verschiedene Gründe.
    Am Ende der Stallgasse blieb Reyn stehen. Die Boxentür war offen und er bedeutete mir hineinzugehen. Ich zögerte - wollte er mich da ins Stroh werfen? Ich hasste die Tatsache, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde ein so brennendes Verlangen verspürte, dass meine Finger kribbelten. Trotzdem wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte.
    Dann hörte ich die leisen Geräusche.
    Ich hob eine Braue und reckte den Kopf durch die offene Tür ... Da sah ich River im Heu sitzen. Sie blickte zu mir auf, lächelte und legte einen Finger an die Lippen.
    Molly, einer der Farmhunde, lag zusammengerollt im Heu und knurrte kurz. River sagte etwas Beruhigendes zu ihr. Ich entdeckte einen, zwei ... sechs kleine Wesen, die sich an Molly drängten. Welpen. Ich kniete mich neben River. Ich bin kein großer Hundefreund. Oder Katzenfreund. Oder Haustierfreund. Haustiere brauchen Pflege und verlangen, dass man an etwas anderes denkt als an sich selbst, und das habe ich schon vor Jahren aufgegeben.
    Und dennoch. Sogar ich wurde ein bisschen weich angesichts dieser dicken Welpen mit den geschlossenen Augen und Ohren und dem Flausch auf den kleinen Schnauzen. »Das hat Molly richtig gut gemacht«, sagte River und streichelte den Kopf der Hündin. Molly schloss die Augen; den Großteil der Arbeit hatte sie hinter sich.
    »Die Welpen sehen gut aus«, bemerkte Reyn. Ich hatte fast vergessen, dass er da war. '
    »Ja«,
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