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Titel: Error
Autoren: N Stephenson
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des Lehnstuhls an der Wand aufgehängt worden war. In der Ecke stand ein Sauerstofftank von beeindruckender Größe, der sich Stellfläche und elektrische Anschlüsse mit einer Dialysemaschine teilen musste. Ein sehr alter, in ein Gehäuse aus Walnussholz montierter Fernseher diente als unbeweglicher Sockel für einen 54-Zoll-Plasmabildschirm, auf dem jetzt bei leise gestelltem Ton ein Profifootballspiel lief. Als Copilot in einem etwas weniger attraktiven Lehnstuhl flog an Dads rechter Seite John, sechs Jahre älter als Richard und stellvertretender Patriarch der Familie. Auf dem Bärenfell oder dem darunter liegenden Teppichboden saßen ein paar Neffen im Schneidersitz, die Aufmerksamkeit gebannt auf das Spiel gerichtet. Eine der Cardenas-Schwestern (höchstwahrscheinlich Rosie, dachte er) machte sich hinter den Lehnstühlen zu schaffen, schrieb Zahlen auf ein Klemmbrett, faltete Leintücher – gab, mit anderen Worten, klar zu erkennen, dass sie im Begriff war, Dad an John zu übergeben, damit sie sich auf den Weg zum Thanksgivingritual ihrer eigenen Familie begeben konnte.
    Seit Dad diese verschiedenen Zubehörteile bekommen hatte – die externe Niere, die externe Lunge –, war er eine ziemlich komplizierte Maschine geworden, ähnlich einem hochwertigen WI G -Schweißgerät, das nicht von irgendwem bedient werden konnte. John, mit beidseitigen Unterschenkelamputationen aus Vietnam zurückgekehrt, war mit der Prothesentechnologie bestens vertraut; er hatte sämtliche Handbücher gelesen und kannte die Funktionen der meisten Knöpfe, sodass er in Zeiten wie dieser die Verantwortung für die Apparate übernehmen konnte. Würde Dad dagegen mit Richard allein im Haus bleiben, wäre er nach zwölf Stunden tot. Richard musste seinen Beitrag auf weniger leicht zu beschreibende Weise leisten. Die Hände in den Hosentaschen, drückte er sich herum, täuschte Interesse an dem Footballspiel vor, bis Rosie sich eindeutig in Richtung Ausgang bewegte. Einen Augenblick später folgte er ihr zur Tür hinaus und holte sie auf der Rollstuhlrampe ein, die hinunter zu Dads an Dr. Seuss erinnernden Transporter mit Rollstuhlaufzug führte. »Ich bringe Sie zu Ihrem Auto«, erklärte er, und sie lächelte über seine beschönigende Formulierung. »Heute Nachmittag Truthahn?«, fragte er.
    »Truthahn und Football«, sagte sie. »Unsere Art von Football.«
    »Wie geht’s Carmelita?«
    »Gut, danke. Ihr Sohn – groß! Basketballspieler.«
    »Kein Football?«
    Sie lächelte. »Ein bisschen. Er köpfen Ball sehr gut.« Als sie die Schlüsselkette aus ihrer Handtasche zog, erhaschte Richard einen Blick auf all die wohlriechenden Dinge, die sie darin aufbewahrte. Er machte einen Satz an ihr vorbei und öffnete die Fahrertür ihres Subaru. »Danke.«
    »Ich danke Ihnen sehr, Rosie«, sagte er und öffnete den Reißverschluss an der Brusttasche seines Anoraks. Während sie sich, den Rock unter ihrem Gesäß glattstreichend, auf dem Fahrersitz niederließ, zog er einen braunen Briefumschlag mit einem gut einen Zentimeter dicken Bündel Hundertdollarscheine heraus und ließ ihn in das kleine Fach innen in der Tür gleiten. Dann machte er die Autotür sanft zu. Sie rollte das Fenster herunter. »Es ist dasselbe wie letztes Jahr plus zehn Prozent«, erklärte er. »Ist das noch angemessen? Immer noch in Ordnung für Sie und Carmelita?«
    »Es ist in Ordnung, vielen Dank!«, sagte sie.
    »Ich danke Ihnen «, beharrte er. »Sie sind ein Segen für unsere Familie, und wir schätzen Sie sehr. Sie haben meine Nummer, falls es je ein Problem gibt.«
    »Happy Thanksgiving.«
    »Ihnen und Ihrer Familie ebenfalls.«
    Sie winkte, legte den Gang ein und fuhr mit ihrem Subaru davon.
    Richard klopfte erneut seinen Anorak ab, um zu sehen, ob das andere Päckchen noch da war. Später würde er eine Möglichkeit finden, es John zuzustecken; dafür würde es eine Menge Sauerstoff geben.
    Die Übergabe war ohne Zweifel auf unbeholfene und sonderbare Weise erfolgt. Weit weniger stressig wäre es für einen Mann seines Temperaments gewesen, die Hunnis per FedEx zu verschicken, wie er es üblicherweise in Jahren tat, in denen er nicht zum Familientreffen kam. Als er aber die Rollstuhlrampe wieder hinaufstieg, blieben die Furiosen Musen stumm, woraus er schloss, dass er es gar nicht mal so schlecht hingekriegt hatte.
    Im Kern dessen, was die FM s beklagten, stand der Vorwurf, dass Richard nicht »emotional verfügbar« sei. Diese Formulierung hatte ihm die Sprache
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