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Titel: Error
Autoren: N Stephenson
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durch Gehörschützer hindurch geführt wurden.
    Jüngere, frisch angeheiratete und entferntere Verwandte nannten ihn Dick, ein Name, den Richard nie benutzt hatte, weil er ihn seit seiner Jugend an Nixon erinnerte. Er hörte auf Richard oder den Spitznamen Dodge. Während der langen Fahrt aus dem Speckgürtel von Chicago, Minneapolis oder St. Louis hierher erklärten die Eltern ihren Kindern, wer wer war, manche sogar unter Zuhilfenahme von Ausdrucken des Familienstammbaums und von Fotoalben. Richard war sich ziemlich sicher, dass sie, wenn sie sich auf seinen Zweig des Familienstammbaums hinauswagten – und der war lang, kahl und ohne Verzweigung –, einen bestimmten Blick bekamen, den die Kinder im Rückspiegel sehen konnten, einen Tonfall, der in diesem Teil des Landes mehr sagte, als Worte je sagen durften. Genau das konnte Richard in ihren Gesichtern lesen, wenn er ihnen entlang der Schützenlinie begegnete. Manche von ihnen blickten ihm gar nicht in die Augen. Andere taten es zu demonstrativ, als wollten sie ihn wissen lassen, dass er ihnen nichts vormachen konnte.
    Aus der Hand eines untersetzten Mannes mit Tarnmütze, den er vage als zweiten Mann seiner Großcousine Willa erkannte, nahm er eine abgekippte Doppelflinte Kaliber 12 entgegen. Das Gesicht ebenso wie den Lauf der Waffe auf den Stacheldrahtzaun gerichtet, wandte er ihnen allen den Rücken seines Skiparkas zu, während er sich mit den Zähnen den linken Handschuh auszog und zwei Patronen in die warmen Läufe gleiten ließ. Mehrere Meter vor ihm auf dem Boden, genau da, wo das Weideland in die Senke abfiel, hatte jemand übriggebliebene Halloween-Kürbisse aufgereiht, von denen die meisten bereits zu Mus zerschossen und über das tote braune Unkraut verspritzt worden waren. Richard ließ die Flinte wieder zuschnappen, legte an, indem er ihren Schaft fest an seine Schulter schmiegte, verlagerte das Körpergewicht gut nach vorn und betätigte den ersten Abzug. Er spürte den Rückstoß der Waffe, und der Kürbisboden sprang hoch und schien sich verdrücken zu wollen. Aus dem zweiten Lauf erwischte Richard ihn. Dann kippte er die Läufe ab, warf die heißen Hülsen aus, ließ sie zu Boden fallen und gab dem Besitzer mit einem anerkennenden Kopfnicken die Waffe zurück.
    »Gehst du bei deinem Schloss da oben viel auf die Jagd, Dick?«, fragte ihn ein Mann Mitte zwanzig: Willas Stiefsohn. Er sprach laut. Es war schwer zu sagen, ob das an den orangefarbenen Schaumstoffstöpseln in seinen Ohren lag oder ob es Sarkasmus war.
    Richard lächelte. »Überhaupt nicht«, antwortete er. »In meinem Wikipedia-Eintrag ist so ziemlich alles falsch.«
    Das Lächeln des jungen Mannes verschwand. Seine Augen zuckten, während sie Richards elektronischen Gehörschutz für zweihundert Dollar registrierten, dann blickten sie zu Boden, als hielten sie nach Kuhfladen Ausschau.
    In Richards Wikipedia-Eintrag war es in letzter Zeit zwar ruhig gewesen, aber früher hatten dort turbulente Bearbeitungskriege zwischen geheimnisvollen Leuten stattgefunden, von denen nur die IP -Adressen bekannt waren und die anscheinend gerne Aspekte seines Lebens betonen wollten, die ihm inzwischen als sachlich richtig, aber völlig irrelevant erschienen. Das alles war glücklicherweise geschehen, nachdem Dad zu hinfällig geworden war, um eine Maus zu bedienen, was junge Forthrasts jedoch nicht davon abhielt.
    Richard drehte sich um und machte sich gemächlich auf den Rückweg. Flinten waren eigentlich nicht sein Ding. Sie waren ans hinterste Ende der Schützenlinie verbannt worden. Am nächstgelegenen Ende, neben einem Konvoi hastig geparkter SUV s, feuerten acht- und zehnjährige Kinder, umringt von wachsamen Erwachsenen, eine gepfefferte Salve aus Kleinkaliberrepetiergewehren ab.
    Unmittelbar vor Richard befand sich eine Gruppe von fünf Männern um die zwanzig, umkreist von zwei aufstrebenden Fünfzehnjährigen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand ein Sturmgewehr, ein sogenanntes schwarzes Gewehr, ganz im Militärstil, ohne Holz, ohne Tarnfarbe, keine Vorspiegelung, es sei ein Jagdgewehr. Der Eigentümer war Len, Richards Neffe zweiten Grades, der in einem höheren Semester Entomologie an der University of Minnesota studierte. Dessen rote, durch den Wind aufgesprungene Hände umfassten ein leeres Magazin für dreißig Patronen. Richard, der jedes Mal zusammenzuckte, wenn eine Flinte hinter ihm losging, beobachtete, wie Len drei Patronen oben in das Magazin stopfte und es dann dem jungen
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