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Erntemord

Erntemord

Titel: Erntemord
Autoren: Heather Graham
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Rowenna zumindest aus der Distanz ganz gut zu kennen. Diese Distanz war etwas, wofür er gesorgt hatte.
    Vielleicht hatte es alles damit zu tun, was vor einem Jahr auf der Plantage geschehen war.
    Gerüchte besagten, dass es auf dem Anwesen spukte. Zunächst hatte das den Reiz des Ortes ausgemacht. Nun hatte er es allerdings satt. Er verehrte seine Schwägerin, und niemals würde er sich mit ihr über ihren Glauben an Geister streiten oder über das, was sie draußen auf dem Familienfriedhof erlebt hatte. Doch soweit es ihn betraf, kamen die bösen Dinge auf dieser Welt nicht durch Voodoo, Mystizismus, außerinnliche Wahrnehmung oder anderen Hokuspokus ans Licht.
    Er glaubte an harte Arbeit, Wissenschaft, Logik und moderne Untersuchungsmethoden. Die Arbeit von forensischen Wissenschaftlern kombiniert mit der von Polizisten, die von Tür zu Tür gingen, dazu elende Stunden der Überwachung und ein Gehirn, das darauf trainiert ist, sich in die Psyche von anderen hineinzuversetzen. Diese Mischung klärte Verbrechen auf. Ein Tatort war einfach. Ein Mörder nahm immer etwas mit und hinterließ auch immer etwas. Nicht jeder Fall wurde gelöst, doch wenn sie gelöst wurden, dann alle auf die gleiche Art und Weise. Die Verschwundenen wurden gefunden, indem man Fußspuren verfolge, Lügner entlarvte, eine Ausrede nach der anderen entkräftete, bis die nackte Wahrheit schließlich vor einem lag.
    Jedes Medium hatte einfach nur verdammtes Glück – und war vermutlich klug genug, die Hinweise zu entdecken und ihnen zu folgen –, wenn es einen Mordfall aufklärte oder die Spur eines Kidnappers aufnahm.
    Wenn doch nur logische Argumente die Träume bezwingen könnten, die ihn plagten. Die Bilder, die ihn im Schlaf heimsuchten, Bilder von im Wasser treibenden Leichen. Von Kindern.
    Er war Polizeitaucher gewesen, und das bedeutete, dass man schlimme Dinge im Wasser fand. Und er hatte viel gefunden. Doch nichts war so wie die Kinder. Man hatte gesehen, wie der Van ins Wasser stürzte, sodass das Taucherteam schnell vor Ort war. Doch der St. Mary’s River war braun, schmutzig und tief, und der Van war an der tiefsten Stelle hineingestürzt. Er hatte den Van als Erster erreicht und die Ladetür geöffnet. Die Ladung bestand aus Kindern, Waisenkinder unter der Obhut eines Paares, das nur an dem monatlichen Geld interessiert war. Jedes Kind war im Wagen festgeschnallt. Nicht mit dem Gurt gesichert, sondern festgeschnallt . Es waren sechs, im Alter von zwei bis zehn Jahren, und fünf von ihnen starrten blicklos in die Leere, die ihr Leben gestohlen hatte. Und dann war da noch Billy gewesen.
    Billy war am Leben. Jeremy hatte mit dem Messer das Seil durchschnitten, das ihn an seinem Sitz hielt, und als Billy ihn sah, versuchte er zu lächeln. Streckte die Hand nach ihm aus. Als er Billy an Land gebracht hatte, startete er Wiederbelebungsmaßnahmen, bis die Sanitäter kamen. Er war mit Billy ins Krankenhaus gefahren. Und dann, trotz der verzweifelten Bemühungen des aufrichtig erschütterten Personals, war Billy gestorben.
    Jeremy sah noch immer Billys Augen vor sich. Im Schlaf fühlte er die Hand des Jungen, die sich um seine klammerte, als er ihn von dem Van fortzog.
    Das war der schlimmste der Albträume, die ihn plagten. Es waren die schlimmen Träume, die ihn zu der Entscheidung gebracht hatten, die Polizei zu verlassen und mit seinen Brüdern eine Privatdetektei zu gründen. Er war gesund; er hatte mit dem Polizeipsychologen gesprochen. Er wusste, dass Albträume einfach Albträume waren. Sie waren die Wiederholung dessen, was am Tage nicht zu ertragen war, womit der Verstand nicht fertigwurde, und nicht etwa die Heimsuchungen ruheloser Geister.
    Er lebte mit ihnen.
    Er versuchte nicht, sie in irgendeinen kosmischen Zusammenhang zu stellen.
    Er träumte von dem lebenden Billy, der ihn aus riesigen braunen Augen ansah, und manchmal träumte er, dass er auf einem Hügel steht und Billy seine Hand hält. Vielleicht stand Billy für das Kind, das er niemals gehabt hatte – und vielleicht niemals haben würde. Vielleicht stand er für all das, was Jeremy an den Verfehlungen des überlasteten Wohlfahrtssystems erzürnte. Er wusste es nicht, und es war ihm egal. Ihn interessierte es nur noch, den übrig gebliebenen Kindern zu helfen.
    Wie auch immer, sogar der Psychologe hielt es für richtig, dass er seine Zeit mit der Gründung von Einrichtungen verbrachte, um anderen bedürftigen Kindern zu helfen. Es schien zu funktionieren. Und
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