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Erntemord

Erntemord

Titel: Erntemord
Autoren: Heather Graham
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gespickten Gartenhut, der jede Krähe in die Füße stach, die so unvorsichtig war, darauf zu landen. Ethan Morrisons Vogelscheuche hatte ein sich blähendes Cape an und ein fratzenhaftes, zähnefletschendes Grinsen. Die Vogelscheuche ihres Großvaters trug einen Jeans-Overall mit kariertem T-Shirt und dazu eine Schrotflinte. Auf dem weißen Haarbüschel saß ein Strohhut.
    Die Kreation von Eric Rolfe war die unheimlichste – und die originellste. Sie schien am ehesten lebendig zu werden und zu sprechen, denn er hatte das Gesicht seiner Vogelscheuche aus einem Plastikschädel und Halloween-Make-up gestaltet. Riesige Augen starrten aus dem knochigen Gesicht, Augen, die per Batterieantrieb leuchteten. Außerdem trug sie einen schwarzen Gehrock, die Arme waren zur Seite ausgestreckt, und Stacheldraht ragte aus dem Kopf wie eine rasiermesserscharfe Perücke.
    Einige der älteren Einwohner hatten ein Problem mit Erics Kreation. Der Puritanismus war aus der Gegend verschwunden, aber niemals wirklich gestorben. Doch Eric liebte seine Vogelscheuche, und das taten auch die Kinder.
    Aber manchmal, wenn sie durch die Felder rannte und ihr Großvater ihr dicht auf den Fersen war, erstarb ihr Lachen, wenn sie zu der Vogelscheuche gelangte. Die Augen starrten sie aus ihren Höhlen an, und der Wind schien zuzunehmen, sodass er zwar nicht heulte, aber ein hohes Flüstern ertönte, in das sich Angst und Versuchung mischten. Sie hielt an und starrte die Vogelscheuche an, während die Maisstängel um sie herum rauschten. Unbehagen schlich sich in ihr Herz, eine Angst, sie könnte etwas Archaisches und Schreckliches sehen, das hier einst geschehen war. Angst, dass sie die teuflischen Motive der Verantwortlichen und den Horror jener spüren könnte, die davon betroffen waren.
    Sie war aufgewachsen mit den Geschichten der örtlichen Hexenprozesse, als Menschen im Dienste ihres Gottes Mitmenschen gefoltert und zum Tode verurteilt hatten, als Kinder weinten und beschuldigten und als im Namen der Gerechtigkeit Böses verübt wurde.
    Wie sollte ein leicht zu beeindruckendes Kind auf solch einem blutgetränkten Boden nicht etwas der vergangenen Qual erspüren?
    Trotzdem hatten die Maisfelder sie immer wieder bezaubert, ebenso wie die aufsehenerregende Farbpalette des Herbstes.
    Und nun würde sie nach Hause fahren, um diese Felder wiederzusehen. Insofern schien es nur normal, dass sie sie in diesem seltsamen Schwebezustand zwischen Schlaf und Wachen vor sich sah, dass sie durch sie hindurchlief, wie sie eseinst als Kind getan hatte. Sie hörte ihr eigenes Lachen beim Laufen und wusste, dass sie bald auf Erics Vogelscheuchenmonster treffen würde. Doch sie zögerte nicht, denn sie warkein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau, und die Ängste der Vergangenheit konnten ihr überhaupt nichts mehr anhaben.
    Doch sie irrte sich. Die Angst war da.
    Sie sah sie jetzt in der Ferne, und eine böse Vorahnung ergriff ihr Herz, während sie darauf wartete, dass sie sie ebenfalls sah. Denn das würde sie, das wusste sie.
    Rowenna wollte nicht weitergehen.
    Doch sie musste.
    Dann hob die Vogelscheuche ihren Kopf, und ein Schreierstarb ihr im Hals. Die Augenhöhlen waren leer, der Kopf ein mit verfaulendem, schwarzem Fleisch bedeckter Schädel, und aus irgendeinem Grund wusste sie, dass der Kopf sie anstarrte, auch wenn nichts mehr übrig war, das an Augen erinnerte.
    Was vom Mund noch übrig war, stand in einem letzten Schrei offen. Ein zerlumpter Mantel hing von dem verfaulenden Körper, durch den vereinzelt das Weiße der Knochen hervorstach, während getrocknetes Blut Mantel und Fleisch gleichermaßen befleckte. Während sie dort stand und ihr Schrei im Halse stecken blieb, wandte sich der Schädel ihr zu, als obirgendein teuflisches Bewusstsein in ihm lebte.
    Eine Krähe landete auf der Schulter der grauenhaften Gestalt und pickte an dem verfaulten Fleisch, das von der einen Wange hing.
    Als der Wind auffrischte und der Himmel plötzlich erfüllt war mit prächtigen Herbstblättern, die durch die Luft flatterten, begann der Schädel zu lachen. Die ganze Zeit starrten die Augenhöhlen sie an, und plötzlich rannen rote Tränen über die zerfetzten Wangen, als ob der verfaulende Leichnam für alle Zeit in dem Feld gefangen war und Blut weinte.
    Dann begannen die Finger aus Knochen und Fäulnis zu zucken und nach ihr zu greifen, während ein Reim aus ihrer Kindheit erklang.
    Fürchte nicht den Sensenmann,
    doch fürchte den Schnitter im Herbst,
    er
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