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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger
Autoren: Henry Rider Haggard
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Klippe – so groß wie ein Trinktisch – die Gischt, und wenn ein Mann sie erreichen könnte, könnte er von ihr etwa zwölf Klafter in die Tiefe springen, geradewegs in die darunter befindliche gischtverhangene Grube, um dort entweder zu versinken oder zu schwimmen. Diese Klippe trug den Namen Wolfsfang.
    Nun stand Erik lange am Rand des Wasserfalls und schaute hinab, wobei er alles mit den Augen maß. Dann stieg er nach oben, wo der Fluß den Abgrund hinabstürzte, und schaute erneut, denn von diesem Ufer aus mußte er den teilenden Inselfels Schafsattel erreichen.
    »Kaum ein Mensch würde das Wagnis eingehen; doch ich will es versuchen«, sagte er schließlich zu sich selbst. »Wenn ich überleben sollte, wird man mich für diese Heldentat verehren, und wenn ich sterbe – nun, dann hat es ein Ende, sich über Mädchen und all die anderen Dinge den Kopf zu zerbrechen.«
    So ging er nach Hause und saß an diesem Abend schweigend da. Nun war seit Thorgrimur Eisenzehes Tod sein Hausweib, Saevuna, Eriks Mutter, kurzsichtig geworden, und obwohl sie von ihrem Platz an der Feuernische spähte und spähte, konnte sie das Gesicht ihres Sohnes nicht sehen.
    »Was fehlt dir, Erik, daß du so still dasitzt? War das Fleisch des Nachtmahls nicht nach deinem Geschmack?«
    »Doch, Mutter, das Fleisch war gut, wenngleich man es ein wenig länger hätte räuchern können.«
    »Nun sehe ich, daß du nicht du selbst bist, Sohn, denn du hattest kein Fleisch, sondern nur Stockfisch – und ich kannte noch nie einen Mann, der schon am Abend nicht mehr wußte, was er gegessen hatte, es sei denn, er war heftig erregt oder arg verliebt.«
    »War dem so?« sagte Hellauge.
    »Was bekümmert dich, Erik? – Dieses hübsche Ding dort unten?«
    »Ay, ein wenig, Mutter.«
    »Und was mehr dann?«
    »Daß ich morgen die Goldenen Fälle hinabsteige und nicht weiß, wie ich vom Schafsattel-Fels zur Wolfsfang-Klippe gelangen und dabei das Leben behalten kann; und nun bitte ich dich, ermüde mich nicht mit Worten, denn mein Verstand ist träge, und ich muß ihn benutzen.«
    Als sie dies hörte, schrie Saevuna laut auf, warf sich vor Erik und bat ihn dringlich, sein verrücktes Unterfangen aufzugeben. Aber er wollte nicht auf sie hören, denn er faßte nur langsam einen Entschluß, doch wenn er ihn einmal gefaßt hatte, konnte nichts ihn wieder ändern. Und als sie dann erfuhr, daß er beabsichtigte, sein Leben wegzuwerfen, um seinen Blick auf Gudruda richten zu können, war sie sehr wütend. Sie verfluchte sie und all ihre Verwandten und Stammesgenossen.
    »Es ist wahrscheinlich genug, daß du Grund haben wirst, solche Worte zu verwenden, bevor diese Geschichte zur Gänze erzählt ist«, sagte Erik. »Dennoch, Mutter, unterlasse es, Gudruda zu verfluchen, die in keiner Weise Schuld an diesen Ereignissen hat.«
    »Du bist ein treuloser Sohn«, sagte Saevuna, »der du ums Leben kommen wirst, nur um mit deiner Maid sprechen zu können, und der du deine Mutter kinderlos zurücklassen wirst.«
    Erik erwiderte, es schiene in der Tat so, aber er habe es gelobt und müsse dieses Kraftstück nun wagen. Dann küßte er sie, und sie ging weinend zu Bett.
    Nun war es der Tag des Julfestes, und die Sonne schien erst eine Stunde vor Mittag. Aber nachdem Erik seine Mutter geküßt und sich von ihr verabschiedet hatte, rief er einen Knecht, Jon mit Namen, gab ihm einen Beutel aus Seehundsfell mit seinen besten Kleidungsstücken und bat ihn, nach Middalhof zu reiten und Asmund dem Priester zu sagen, daß Erik Hellauge eine Stunde nach Mittag die Goldenen Fälle hinabkommen würde, um sich zu seinem Fest zu gesellen; dann solle er zum Fuß der Goldenen Fälle gehen, um ihn dort zu erwarten. Und der Mann ging verwundert, denn er hielt seinen Herrn für verrückt.
    Dann nahm Erik ein gutes Seil und einen eisenbeschlagenen Stab, und sobald das Tageslicht ausreichte, bestieg er sein Pferd, durchschritt den Fluß Ran und ritt den Kaltrücken hinauf, bis er zur Mündung der Goldenen Fälle kam. Hier blieb er eine Weile, bis er schließlich am Middalhof, tief unter sich, viele Leute den Schnee aufwirbeln sah, darunter zwei Frauen, bei denen es sich der Gestalt nach um Gudruda und Swanhild handeln konnte. Neben ihnen war ein großer Mann, den er nicht kannte. Dann zeigte er sich auf einem Vorsprung am Rand des Abgrundes und lenkte sein Pferd flußaufwärts. Die Sonne schien hell am Horizont, aber der Frost war scharf wie ein Schwert. Dennoch mußte er sich seiner
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