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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger
Autoren: Henry Rider Haggard
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mit dem sprechenden Kopf und Eriks und Skallagrims Visionen verdanken ihren Ursprung der Phantasie nachfolgender Skaldengenerationen; und schließlich hat man dann im 15. oder 16. Jahrhundert die Geschichte mit all ihren übernatürlichen Hinzufügungen niedergeschrieben.
    Der menschliche Geist – und besonders der der nordischen Völker – neigt dazu, un- und außergewöhnliche Gründe für Handlungen und Tatsachen zu liefern, die ausreichend durch das Wirken der Naturgesetze geklärt sind. Swanhild hätte keinen »Schutzgeist« gebraucht, der sie in ihre bösen Pläne einführt; Erik hätte keinen Liebestrank gewollt, der zu seiner Niederlage führen sollte. Unsere allgemeine Erfahrung als die Menschen, die wir sind – im Gegensatz zu den Menschen, die zu sein wir uns rühmen –, reicht aus, um uns zu lehren, daß die Leidenschaft des einen und die menschliche Schwäche des anderen genügten, um zu diesen Ergebnissen zu führen.
    Die natürliche Magie, die Schönheit und inhärente Macht einer solchen Frau wie Swanhild ist viel mächtiger als alle Zaubersprüche, die die Magier erfunden, oder als jeder Dämon, den sie vielleicht zu ihrer Unterstützung beschworen haben. Doch keine Saga wäre ohne die Erfindung solcher äußerer Mächte vollständig: man hat schon immer gefühlt, daß man sie braucht, sei es, um die Taten der Helden und Heldinnen hervorzuheben oder um ihre Persönlichkeit mit größerer Bedeutung zu schmücken. Selbst Homer verspürte diesen Drang und zögerte nicht, nicht nur das Zweite Gesicht, sondern auch Götter und Göttinnen einzuführen und deren übernatürliche Handlungen direkten Einfluß auf die Persönlichkeiten seines Gesangs nehmen zu lassen, und zwar viel freier als in jeder nordischen Saga.
    Vielleicht ist noch ein Wort er Erklärung nötig über das Erscheinen von »Schutzgeistern« in Tiergestalt, das sich zum Beispiel auch in dieser Geschichte finden läßt. Wie heute die Finnen und Eskimos, glaubten damals die Isländer, daß Leidenschaften und Begierden von Zauberern sichtbare Gestalt in Geschöpfen wie Wölfen oder Ratten annahmen. Diese nannte man dann »Sendboten«, und es gibt in den Sagas viele Anspielungen auf sie.
    Eine andere Eigenschaft der Sagas, die man als überaus charakteristisch bezeichnen kann, ist ihre Schicksalhaftigkeit. Beim Lesen scheinen wir die Stimme des Verderbens ständig dröhnen zu hören. »Die Dinge werden geschehen, wie das Schicksal es bestimmt hat«, das ist der wichtigste Schlüsselsatz.
    Der nordische Geist hatte nur wenig Vertrauen in den freien Willen, noch weniger, als wir es heutzutage haben. Männer und Frauen wurden mit gewissen Charaktermerkmalen und Vorlieben geboren, die sie erhalten hatten, damit ihr Leben in vorbestimmten Wegen verlief und ihre Taten zu einem vorbestimmten Ende führten. Sie tun diese Dinge nicht aus eigenem Antrieb, obwohl ihre Begierden sie zu den Taten drängen: sie tun sie, weil sie sie tun müssen.
    Die Nornen, wie sie das Schicksal nennen, haben ihren Weg schon vor langer, langer Zeit bestimmt; sie bewegen sich auf ihm und müssen ihm bis zum Ende folgen. Dies war die Schlußfolgerung unserer skandinavischen Vorfahren – ein Glaube, der ihnen aufgezwungen wurde durch ihr empfindsames Erkennen der Sinnlosigkeit der menschlichen Hoffnungen und Pläne, des Schreckens und der Tragödie des Lebens, der Anmaßung ihrer Begierden, der unbeschrittenen Finsternis und des traumlosen oder traumreichen Schlafes, der auf sein Ende folgt.
    Obwohl die Sagas sowohl als Beispiele einer in der Welt fast einzigartigen Literatur als auch wegen ihrer lebendigen Bedeutung mitreißen, sind sie der englischsprachigen Öffentlichkeit kaum bekannt. Dies ist leicht zu erklären: es fällt schwer, die Welt des neunzehnten Jahrhunderts dazu zu bringen, sich für Menschen oder Ereignisse zu interessieren, die vor tausend Jahren lebten beziehungsweise geschahen. Darüber hinaus stellen die Sagas zweifellos einen schwierigen Lesestoff dar. Die archaische Natur des Werkes, der Brauch des nordischen Sagaerzählers, endlose Nebenhandlungen zu weben, und die Beharrlichkeit, mit der er die Herkunft und die Abenteuer der Vorfahren eines jeden unwichtigen Charakters einführt, entsprechen nicht dem Geschmack des modernen Lesers.
    ERIK HELLAUGE wurde daher dieser Eigentümlichkeiten beschnitten und bis zu einem gewissen Ausmaß in die Form des Romans unserer heutigen Zeit gebracht, wobei Archaismen soweit wie möglich vermieden wurden. Der
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