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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger
Autoren: Henry Rider Haggard
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gestorben.«
    Und so küßten die beiden sich zum ersten Mal draußen im Schnee auf dem Kaltrücken, und dieser erste Kuß war lang und süß.
    Swanhild lauschte, und das Blut kochte in ihr, wie Wasser in einer heißen Quelle kocht, wenn das Feuer unter ihm zum Leben erwacht. Sie legte die Hand auf ihren Gürtel und umklammerte das Messer an ihrer Seite. Sie zog es zur Hälfte heraus und schob es dann wieder zurück.
    »Kälte tötet so sicher wie Stahl«, sagte sie sich. »Wenn ich sie töte, kann ich mich oder ihn nicht retten. Sollen wir in Frieden sterben, und soll der Schnee unseren Kummer bedecken.« Und wieder lauschte sie.
    »Ah, mein Schatz«, sagte Erik, »selbst inmitten des Todes gibt es noch Hoffnung auf Leben. Schwöre mir also, daß du mich immer lieben wirst, wie du mich jetzt liebst, falls wir durch Zufall überleben sollten.«
    »Ay, Erik, dies schwöre ich, und zwar gern.«
    »Und schwöre, mag da kommen was will, daß du nur mich heiraten wirst.«
    »Ich schwöre, daß ich nur dich heiraten werde, Erik, wenn du mir treu bleibst.«
    »Dann bin ich deiner sicher.«
    »Prahle nicht zu viel, Erik: Wenn du überlebst, hast du noch alle Tage vor dir, und mit der Zeit kommen Versuchungen.«
    Nun wirbelte der Schnee schneller und dicker hernieder, bis die beiden, die sich Brust an Brust umklammert hielten, nur noch ein weißer Hügel waren; und auch das Pferd war völlig weiß, und Swanhild war fast vom Schnee begraben.
    »Wohin gehen wir, wenn wir sterben, Erik?« sagte Gudruda. »In Odins Haus ist kein Platz für Jungfrauen, und wie sollen meine Füße mich ohne dich tragen?«
    »Nein, mein Schatz, meine Maid; Walhalla verschließt seine Tore vor mir, einem Mann, der keine Taten aufzuweisen hat. Auf Bifrösts Regenbogenbrücke darf ich nicht reisen, denn ich darf nicht mit dem Harnisch auf der Brust und mit erhobenem Schwert sterben. Zu Hei werden wir gehen, und zwar Hand in Hand.«
    »Bist du sicher, Erik, daß Männer diese Gefilde finden? Um die Wahrheit zu sagen – manchmal bringe ich ihnen diesen Argwohn entgegen.«
    »Ich bin mir nicht so sicher, daß ich nicht auch zweifeln würde. Aber ich weiß immerhin dies: Wohin du gehst, dort werde auch ich sein, Gudruda.«
    »Dann sind die Dinge ja gerichtet, und die Nornen haben ihr Werk gut getan. Doch Erik, plötzlich habe ich das Zweite Gesicht, denn es überkommt mich, daß ich zwar nicht in dieser Nacht, aber dennoch in deinen Armen und an deiner Seite sterben werde. Da, ich sehe es auf dem Schnee! Ich liege schlafend neben dir, und jemand kommt mit ausgestreckten Händen. Schlaf fällt von ihnen wie ein Nebel – bei Freyja, es ist Swanhild! Oh! Es ist verschwunden.«
    »Es war nichts, Gudruda, nur ein Trugbild des Schnees – ein unzeitiger Traum, der vor dem Schlaf kommt. Mir wird kalt, und meine Augen werden schwer; küsse mich noch einmal.«
    »Es war kein Traum, Erik, und ich werde Swanhild immer Argwohn entgegenbringen, denn ich glaube, auch sie liebt dich, und sie ist schön und mein Feind«, sagte Gudruda und legte ihre schneekalten Lippen auf die seinen. »Oh, Erik, erwache! Erwache! Sieh, es hat aufgehört zu schneien.«
    Er stolperte auf die Füße und sah sich um. Über den Himmel flackerten die wilden Nordfeuer und warfen ihr Licht auf die Dunkelheit.
    »Nun scheint es mir, daß ich das Land kenne«, sagte Erik. »Sieh, dort liegen die Goldenen Fälle, wenn wir sie wegen des Schnees auch nicht hören können; und dort, draußen im Meer, erheben sich die Westman-Inseln; und dieses dunkle Ding ist der Tempelhof, und dahinter befindet sich die Stätte. Wir sind gerettet, Gudruda, und insofern hattest du wirklich das Zweite Gesicht. Nun erhebe dich, bevor deine Glieder steif werden, und ich werde dich auf das Pferd setzen, wenn es noch laufen kann, und dich zum Middalhof hinabführen, bevor die Hexenlichter uns wieder im Stich lassen.«
    »So soll es sein, Erik.«
    Nun führte er Gudruda zum Pferd – das schnaubte und den Schnee abschüttelte, als es seinen Herrn sah, da es noch nicht erfroren war –, setzte sie auf den Sattel und legte den Arm um ihre Taille, und sie schritten langsam durch den tiefen Schnee. Und auch Swanhild kroch aus ihrem Versteck, da der brennende Zorn das Leben in ihr bewahrt hatte, und folgte ihnen. Viele Male fiel sie, und einmal wurde sie beinahe von einer Schneewehe verschluckt und schrie in ihrer Furcht laut auf.
    »Wer hat da gerufen?« fragte Erik und wandte sich um. »Ich dachte, ich hätte eine
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