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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger
Autoren: Henry Rider Haggard
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Fluß Ran. Aber Swanhild beobachtete sie, bis sie den Hügel überschritten hatte. Dann nahm auch sie einen Mantel und folgte diesem Pfad, denn sie beobachtete Gudruda unentwegt.
    Gudruda war schon seit etwa einer halben Stunde unterwegs, als sie bemerkte, daß sich die Wolken am Himmel ballten und die Luft schwer war von bald fallendem Schnee. Als ihr dies aufgefallen war, machte sie sich auf den Heimweg, und Swanhild versteckte sich, um sie passieren zu lassen. Nun fielen Schneeflocken, die so groß und weich wie Blütenblätter waren. Immer schneller kamen sie, bis die ganze Ebene ein einziges weißes Labyrinth aus Nebel war. Doch Gudruda ging unverdrossen weiter, und ihr folgte Swanhild wie ein Schatten. Und nun stellte sich auch noch Dunkelheit ein, und der Schnee fiel dick und schnell und bedeckte die Spur ihrer Schritte, und sie kam vom Weg ab, und hinter ihr folgte Swanhild, die sich nicht zeigen wollte. Eine Stunde oder länger schritt Gudruda aus, dann rief sie laut um Hilfe, und ihre Stimme fiel schwer gegen den Schneemantel. Schließlich wurde sie müde, bekam es mit der Angst zu tun und setzte sich auf einen schrägen Felsen nieder, von dem der Schnee abgeglitten war. Nun befand sich kurz dahinter ein zweiter Felsen, und auf den setzte sich Swanhild, denn sie wollte von Gudruda nicht gesehen werden. So verging eine Weile, und Swanhilds Glieder wurden schwer wie vom Schlaf, als sich plötzlich in der Schnee erfüllten Dunkelheit etwas bewegte. Dann sprang Gudruda auf die Füße und rief. Eine Männerstimme antwortete:
    »Wer geht da?«
    »Ich, Gudruda, Asmunds Tochter.«
    Die Gestalt kam näher; nun konnte Swanhild das Schnauben eines Pferdes hören, und dann sprang ein Mann hinab, und dieser Mann war Erik Hellauge.
    »Du bist es wirklich, Gudruda!« sagte er mit einem Lachen, und seine mächtige Gestalt zeichnete sich dunkel im Schneegestöber ab.
    »Oh, bist du es, Erik?« antwortete sie. »Ich war nie erfreuter, dich zu sehen; denn du kommst wirklich zu einer guten Stunde. Noch eine kleine Weile, und ich hätte dich nicht mehr gesehen, denn der Todesschlaf läßt meine Augen müde werden.«
    »Nein, sag so etwas nicht. Du hast dich also verirrt? Nun, das habe ich auch. Ich verließ das Haus, um drei streunende Pferde zu suchen, und wurde vom Schnee überrascht. Sollen sie in Odins Ställen bleiben, denn sie haben mich zu dir geführt. Ist dir kalt, Gudruda?«
    »Nur ein wenig. Ja, hier auf dem Felsen ist noch Platz für dich.«
    So setzte er sich neben sie auf den Stein, und Swanhild kroch näher; denn nun hatte alle Müdigkeit sie verlassen. Aber der Schnee fiel immer noch in dicken Flocken.
    »Es kommt mir in den Sinn, daß wir beide hier sterben können«, sagte Gudruda plötzlich.
    »Glaubst du das?« fragte er. »Nun, ich will dir sagen, ich könnte mir kein besseres Ende erbitten.«
    »Es ist ein schlechtes Ende für dich, Erik: vom Schnee erstickt zu werden, bei all den Taten, die du noch zu vollbringen hast.«
    »Es ist ein gutes Ende, Gudruda, an deiner Seite zu sterben, denn so werde ich glücklich sterben; aber ich trauere um dich.«
    »Trauere nicht um mich, Hellauge, schlimmere Dinge könnten geschehen.«
    Er rutschte näher an sie heran, und dann legte er den Arm um sie und zog sie an seine Brust; und sie gebot ihm keinen Einhalt. Swanhild sah es und richtete sich hinter ihnen auf, aber für eine Weile hörte sie nichts außer dem eigenen Herzschlag.
    »Höre, Gudruda«, sagte Erik schließlich. »Der Tod kommt immer näher, und bevor er uns ereilt, möchte ich dir etwas sagen, wenn ich sprechen darf.«.
    »Fahre fort«, flüsterte sie an seiner Brust.
    »Dies möchte ich dir dann sagen: ich liebe dich, und ich möchte mir kein besseres Schicksal erbitten, als in deinen Armen zu sterben.«
    »Zuerst sollst du mich in deinen sterben sehen, Erik.«
    »Sei sicher, wenn dem so sein sollte, werde ich nicht lange zögern. Oh, Gudruda, seit ich ein Kind war, habe ich dich mit einer großen Liebe geliebt, und nun bist du alles für mich. Besser, so zu sterben, als ohne dich zu leben. Also spreche, solange noch Zeit ist.«
    »Ich werde nicht vor dir verbergen, Erik, daß deine Worte süß in meinen Ohren klingen.«
    Und nun schluchzte Gudruda, und die Tränen quollen schnell aus ihren dunklen Augen.
    »Nein, weine nicht. Liebst du mich also?«
    »Ay, gewiß genug, Erik.«
    »Dann küsse mich, bevor wir sterben. Ein Mann sollte so nicht sterben, und doch sind Männer schon auf schlimmere Art
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