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Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green
Autoren: DEBORAH HALE
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Pfandhäuser am Morgen öffneten.
    Aber es musste doch in Bath einen Bekannten geben, an den er sich wenden könnte.
    Weston St. Just! Natürlich! Immerhin war er der Mann, der ihn mit Lady Lyte bekannt gemacht hatte, und schuldete ihm schon deshalb einen Gefallen. Entschlossen beschleunigte Hawthorn seine Schritte.
    Da seine eigene Wohnung in der Nähe lag, suchte er sie kurz auf, schrieb eine Nachricht an die Vermieterin und teilte ihr mit, dass er und Ivy ein paar Tage verreisten. Wieder auf der Straße, wandte er sich nach Osten, wo St. Just ein elegantes Stadthaus an den Parkanlagen Sydney Gardens bewohnte.
    Er hatte keine Bedenken, seinen Schulkameraden so spät zu wecken. Im Gegenteil, er sorgte sich eher darum, den notorischen Nachtschwärmer überhaupt zu Hause anzutreffen. Zu seiner Erleichterung brannte in einem Parterrefenster noch Licht, und ein junger Diener öffnete auf Hawthorns Klopfen ohne Zögern.
    Als der Lakai den späten Besucher meldete, wirkte St. Just ein wenig erstaunt, vielleicht auch leicht belustigt. „Hallo, Greenwood? Hat die schöne Lady Lyte dir jetzt schon die Stiefel vor die Tür gestellt?“
    „Ich wundere mich nur, dass sie dir das nicht bereits erzählt hat.“ St. Justs unersättliche Klatschsucht war berüchtigt. „Ich erhielt meinen Marschbefehl bereits vor zwei Tagen.“
    „Das kleine Biest!“ Er lud seinen Freund ein, Platz zu nehmen.„Allerdings beneide ich dich sogar um die paar Wochen, in denen du ihre Gesellschaft genießen durftest.“
    St. Just hob sein Glas mit goldfarbenem Brandy und nickte zur Anrichte hinüber, auf der eine Kristallkaraffe und Gläser standen. „Willst du deine Sorgen ertränken?“
    Nach der unerfreulichen Auseinandersetzung mit Felicity war dieses Angebot eine große Verlockung. Aber Hawthorn schüttelte den Kopf und nahm auf dem Sofa Platz. „Nein, lieber nicht.“
    St. Just bedachte ihn mit einem nachsichtigen Blick. „Du ertränkst deine Sorgen natürlich nicht und läufst auch nicht davon, weil du kein Feigling bist. Du stellst dich deinen Problemen, tapfer wie ein aufrechter Soldat.“
    „Langweilig, wie?“ Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wieso die Freundschaft zwischen St. Just und ihm durch die Jahre Bestand gehabt hatte; unterschiedlicher konnten zwei Menschen schließlich kaum sein.
    Felicity wäre wohl besser beraten gewesen, St. Just zum Liebhaber zu nehmen, statt ihn nur als Vermittler zu benutzen, um seinen unscheinbaren Freund kennenzulernen. Weston St. Just war nicht nur mit der klassisch männlichen Schönheit eines griechischen Gottes gesegnet, er hatte auch eine ausgesprochen gewinnende Art im Umgang mit Frauen, die ihn umschwärmten wie Bienen eine duftende Blume.
    „Langweilig? Im Gegenteil, alter Freund.“ St. Just lehnte sich bequem im Ledersessel zurück und nippte an seinem Brandy. „Mich langweilen die meisten Menschen nach kürzester Zeit, denn die Mehrzahl ist wie ich – austauschbar, lethargisch und selbstsüchtig. Aufrechte und standhafte Männer wie du verblüffen mich immer wieder. Und ich lebe in der ständigen Hoffnung, dass du irgendwann von deinem schmalen Pfad der Tugend abweichst und dich in einem Sündenpfuhl wiederfindest.“
    „Ich dachte, das sei bereits geschehen.“
    „Durch deine Affäre mit Lady Lyte?“, fragte St. Just achselzuckend. „Zugegeben, ein kleiner Fehltritt, aber doch viel zu diskret, um deine weiße Weste zu beflecken. Nun sag mir endlich, was dich um diese Stunde zu mir führt. Bei neunundneunzig von hundert Männern hätte ich es längst erraten, aber du verwirrst mich immer wieder.“
    „Es geht um meine Schwester Ivy. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, mit dem jungen Armitage durchzubrennen – Lady Lytes Neffen.“
    „Gütiger Himmel, tatsächlich?“ St. Just beugte sich vor, seine dunklen Augen blitzten neugierig. „Ich wünschte, ich hätte eine quirlige kleine Schwester, die ständig Streiche ausheckt und mich auf Trab hält, damit ich ihren Hintern rette.“
    „Ich könnte dir meine ausborgen“, knurrte Hawthorn. „Allerdings traue ich dir nicht über den Weg. Du wärst doch der Erste, der Ivy kompromittieren und ins Unglück stürzen würde.“
    Und dann erzählte er den Rest der Geschichte. Dass Felicity darauf bestanden hatte, die Ausreißer ohne seine Begleitung zu verfolgen, dass er dringend ein schnelles Pferd brauchte und etwas Geld, um die Reise zu finanzieren.
    Er bemühte sich, seinen Groll über St. Justs ironische Heiterkeit zu verbergen.
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