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Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green
Autoren: DEBORAH HALE
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ausgeblieben, und sie war jeden Morgen mit Übelkeit erwacht. Bevor dieser Sommer zu Ende war, würde ihr Leib zu schwellen beginnen.
    Ausgerechnet Hawthorn Greenwood hatte ihren innigsten Herzenswunsch erfüllt, den sie längst aufgegeben hatte.
    Ein Kind.
    Aber genau aus diesem Grund sah Felicity sich gezwungen, ihn aus ihrem Leben zu verbannen.

3. KAPITEL
    Wenn sie dachte, sie könne ihn so einfach loswerden, hatte Lady Lyte sich gewaltig geirrt!
    Hawthorn Greenwood überquerte eilig die monumentale Anlage des kreisrunden Circus mit den drei einmündenden breiten Boulevards. Für die prachtvollen neu erbauten Gebäude der Kuranlagen, deren hohe Fenster bereits verdunkelt waren, hatte er nur finstere Blicke übrig. Nachdem seinem Stolz vor zwei Tagen ein gewaltiger Schlag versetzt worden war, verfluchte er den Ort, wo er seiner launischen Geliebten zum ersten Mal begegnet war.
    Wo wären er und seine Schwester heute, fragte er sich grollend, wenn er sich damals nicht von Ivy hätte überreden lassen, den ersten Ball der Saison zu besuchen?
    Würde ihm allerdings plötzlich eine Zauberfee erscheinen und ihm die Möglichkeit bieten, die vergangenen zwei Monate ungeschehen zu machen, er war sich keineswegs sicher, ob er dieses Angebot annehmen oder ablehnen würde.
    Gewiss, diese Affäre hatte sein Leben in Unordnung gebracht und jäh und böse geendet. Aber solange seine Beziehung mit Felicity Lyte gedauert hatte, war er glücklich wie nie zuvor gewesen.
    „Hör auf mit diesem Unsinn, Schwachkopf!“, knurrte er halblaut. Viel wichtiger war es, darüber nachzudenken, wie er das nötige Geld für eine Reise nach Norden beschaffen konnte – wenn nötig bis nach Schottland.
    Er verlangsamte seine Schritte. Vom Fluss Avon wehte ein lauer Nachtwind die sanften Hügel herauf, und der Duft feiner Aromen aus den Küchentrakten der eleganten Villen stieg Hawthorn in die Nase. Leise Musikklänge und unbeschwertes Lachen der Abendgesellschaften waren aus der Ferne zu hören, und es schien ihm, als würden die Vornehmen und Reichen sich in ihrer ausgelassenen Heiterkeit über seine missliche Lage lustig machen.
    Aber er wollte nicht in düstere Trauer versinken. Besser war es, dieser schwierigen Situation mit der gleichen nüchternen Beharrlichkeit zu begegnen, mit der er damals den Verlust des Familienvermögens ertragen hatte. Wenn er nur intensiv darüber nachdachte und keine Möglichkeit als zu abwegig oder zu erniedrigend ausschloss, gab es beinahe für jedes Problem eine Lösung. Hawthorn hatte größere Erfahrung als die meisten Männer seines Alters und seiner Herkunft darin, einen Ausweg aus den schlimmsten Katastrophen zu finden.
    Auf seinem Weg durch die Gay Street grübelte er über seine gegenwärtige Lage. Systematisch wog er alle infrage kommenden Lösungen gegeneinander ab, verwarf die abwegigsten und wandte sich der nächsten zu.
    Er konnte sich von den wenigen Wertgegenständen trennen, die er noch besaß, wobei die meisten einen weit höheren ideellen Wert für ihn darstellten, als ein Käufer bereit wäre, dafür zu bezahlen. Während seine Schritte auf dem Kopfsteinpflaster der Milsom Street hallten, verwarf er auch diesen Gedanken. Die Pfandhäuser waren um diese Nachtstunde wie alle anderen Läden geschlossen. Selbst wenn es ihm gelänge, einen Pfandleiher zu wecken, wäre der Mann gewiss nicht bereit, sein Geschäft für ihn zu öffnen.
    Die Vernunft riet ihm, seine Wohnung aufzusuchen, die Wertsachen einzupacken, sich ein paar Stunden Schlaf zu gönnen und sich am nächsten Morgen an die Arbeit zu machen. Aber dadurch würden Ivy und der junge Armitage einen noch größeren Vorsprung gewinnen, also musste er jetzt handeln. Außerdem war ihm keineswegs wohl bei der Vorstellung, dass Felicity nur in Begleitung ihres alten Stallmeisters und eines halbwüchsigen unerfahrenen Dieners nachts über verlassene Landstraßen fuhr.
    Also konzentrierte er sich darauf, andere Lösungen zu finden.
    „Natürlich.“ Er blieb jäh stehen und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn, als ihm endlich die rettende Idee kam.
    Er war zwar verarmt, aber er besaß ein paar gute Freunde. Zu dumm, dass er seinen Schwager nicht rasch genug erreichen konnte. Merritt Temple besaß Pferde und Kutschen und hätte Hawthorn ohne mit der Wimper zu zucken das nötige Geld vorgestreckt. Leider lag Merritts Landgut viele Meilen entfernt im Osten. Der Umweg hätte eine noch größere Verzögerung bedeutet, als zu warten, bis die
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