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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
Autoren: Robert Louis Stevenson
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I. Ich begebe mich auf die Reise zum Hause der Shaws
    Der Bericht meiner Abenteuer soll mit einem bestimmten Morgen zu Anfang des Monats Juni im Jahre des Heils 1751 beginnen.
    Zum letztenmal verschloß ich die Tür meines Vaterhauses und zog den Schlüssel heraus.
    Während ich die Dorfstraße entlangging, fielen die ersten Sonnenstrahlen auf die Berggipfel, und als ich dann zum Pfarrhaus kam, begannen die Schwarzdrosseln in den Fliederbüschen der Gärten zu flöten, und die Frühnebel, die im Tal hingen, stiegen und zerteilten sich allmählich.
    Mr. Campbell, der Pfarrer von Essendean, erwartete mich am Gartentor. Der freundliche Mann fragte mich, ob ich schon gefrühstückt habe, und als er erfuhr, daß es mir an nichts fehle, ergriff er mit einer gütigen Bewegung meine Hand, zog sie durch seinen Arm und sagte: »Dann, Davie, mein Junge, werde ich dich bis zur Furt begleiten, um dich auf den richtigen Weg zu bringen.«
    Stumm schritten wir nebeneinanderher; nach einer Weile fragte er: »Gehst du ungern von Essendean fort?«
    »Ach, Sir«, erwiderte ich, »wenn ich wüßte, wohin es gehen und was aus mir werden soll, könnte ich eine ehrlichere Antwort darauf geben. Essendean ist kein unrechter Ort, und ich war hier sehr glücklich, aber ich kenne ja auch nichts anderes. Da mein Vater und meine Mutter tot sind, werde ich ihnen in Essendean nicht näher sein als beispielsweise im Königreich Ungarn. Ja, ehrlich gesagt, wenn ich glauben könnte, daß es mir dort, wo ich hin will, besser gehen wird, dann würde ich mich mit Freuden auf den Weg machen.«
    »Nun, David«, sagte Mr. Campbell, »dann ist es wohl an mir, vorauszusagen, was dir die Zukunft bringen kann, wenigstens soweit ich das vermag. Als deine Mutter gestorben war und dein Vater, der wackere fromme Christ, zu kränkeln anfing und sein Ende nahen fühlte, hat er mir einen Brief anvertraut, von dem er meinte, er stelle sozusagen deine Erbschaft dar: ›Wenn ich nicht mehr dasein werde‹, hatte er gesagt, ›wenn das Haus bestellt und über den Besitz verfügt worden ist‹, was du ja inzwischen erledigt hast, David, ›dann gebt meinem Sohn dieses Schreiben und bringt ihn auf den Weg zum Hause der Shaws, das nicht weit von Cramond gelegen ist. Das ist meine Heimat, und es ist nur recht und billig, daß mein Sohn dorthin zurückkehrt. Er ist ein vernünftiger Junge‹, sagte dein Vater noch, ›er wird es schon richtig machen, und ich zweifle auch nicht, daß es ihm dort gut gehen und daß man ihn gern haben wird‹.«
    »Das Haus der Shaws?« rief ich erstaunt. »Was hat mein Vater mit dem Haus der Shaws zu schaffen gehabt?«
    »Je nun«, meinte Mr. Campbell, »wer kann das mit Bestimmtheit sagen, David, aber der Name der Familie dort ist der gleiche, den auch du trägst – Balfour of Shaws, ein uraltes, ehrenhaftes und ruhmreiches Geschlecht, vielleicht in letzter Zeit ein wenig heruntergekommen. Auch verfügte dein Vater über ein seinem vornehmen Herkommen entsprechendes reiches Wissen. Kein Lehrer hat je so guten Unterricht erteilt wie er. Auch seine ganze Art und seine Ausdrucksweise waren nicht die eines gewöhnlichen Schulmeisters. Nun, du wirst dich erinnern, mit welchem Vergnügen ich ihn im Pfarrhaus mit den Honoratioren dieser Gegend zusammenbrachte, und meine Angehörigen aus der Familie Campbell of Kilrennet, Campbell of Dunswire, Campbell of Minch und wie sie alle heißen – lauter gelehrte Herren –, hatten Freude an seiner Gesellschaft. Doch damit du alle Einzelheiten dieser Angelegenheit erfährst, nimm jetzt das letzte Schreiben deines heimgegangenen Vaters; er hat es eigenhändig adressiert.«
    Er gab mir den Brief, der die Aufschrift trug: Auszuhändigen an Ebenezer Balfour, Herr auf Shaws, im Hause der Shaws, abzuliefern durch meinen Sohn David Balfour.
    Mein Herz klopfte laut und stürmisch, als sich vor mir siebzehnjährigem Burschen diese Aussichten eröffneten, vor mir, dem Sohn des armen Dorfschulmeisters im Waldgebiet von Ettrick.
    »Mr. Campbell«, stammelte ich, »würdet Ihr an meiner Stelle denn dort hingehen?«
    »Aber gewiß doch«, sagte der Geistliche, »das würde ich sicherlich tun, und zwar unverzüglich; ein flinker Bursche wie du sollte höchstens zwei Tage bis Cramond brauchen; es liegt nicht weit von Edinburgh. Sollte das Schlimmste zum Schlimmen kommen und sollten deine vornehmen Verwandten – denn ich kann nur annehmen, daß es sich um Verwandtschaft handelt – dich wieder an die frische Luft setzen, dann
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