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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Anzeichen für fruchtbares Land unter einem günstigen Himmelsstrich. Nur die Ruine inmitten dieser lieblichen Landschaft wollte mir nicht gefallen.
    Während ich dort am Waldrand saß, kamen von den Feldern her Bauern vorüber, doch ich hatte nicht einmal mehr den Mut, ihnen einen guten Abend zu wünschen.
    Endlich ging die Sonne unter, und nun sah ich gegen den gelbgetönten Himmel eine Rauchsäule aus einem der Schornsteine des Herrenhauses aufsteigen, so dünn und so schwach wie von einer schwelenden Kerze. Und doch bedeutete sie ein Feuer, Wärme, eine Mahlzeit und einen lebenden Menschen, der das Feuer angezündet haben mußte. Das war ein Herzenstrost.
    Ich stand auf und ging auf einem schmalen, kaum ausgetretenen Pfad in der Richtung auf das Haus weiter. Der Weg war nur schwer zu erkennen, aber einen anderen gab es anscheinend nicht.
    Schließlich gelangte ich zu zwei hohen Steinquadern – daneben stand ein Pförtnerhaus, eine Hütte ohne Dach, über der Tür ein Wappenschild. Offenbar war dies das Hauptportal, aber es war halbfertig. An Stelle der üblichen schmiedeeisernen Tore erblickte ich hier nur ein mit Strohseilen unordentlich befestigtes Holzgatter. Es gab auch kein Parkgitter und keine Auffahrt, nichts als den Pfad, auf dem ich gekommen war. Er führte rechts an den Säulen vorbei. Ich ging weiter auf das Haus zu.
    Je näher ich herankam, desto trostloser erschien es mir. Es sah aus wie der Flügel eines Hauses, das nie zu Ende gebaut worden ist, mit Stufen, Treppen und unvollendetem Gemäuer. Viele Fenster hatten keine Scheiben, und die Fledermäuse flogen ein und aus wie die Tauben aus ihrem Schlag.
    Es dunkelte schon stark, als ich dicht vor dem Hause stand. Durch drei untere, ziemlich hoch gelegene, sehr schmale und vergitterte Fenster konnte man drinnen ein unruhig flackerndes Feuer sehen.
    Sollte das der Palast sein, den zu erreichen ich von so weit her gekommen war? Sollte ich in diesem trostlosen Gemäuer neue Freunde und ein künftiges Glück finden? Ach, in meinem Vaterhaus waren von der Wasserseite Feuer und Kerzenschein aus einer Meile Entfernung zu sehen gewesen, und die Tür wurde jedesmal gastlich geöffnet, wenn auch nur ein Bettler anpochte.
    Behutsam tastete ich mich weiter und lauschte dabei angestrengt in das Dunkel. Ich vernahm, wie von Zeit zu Zeit jemand trocken hüstelte und mit Geschirr klapperte. Ich hörte aber niemand sprechen; es bellte nicht einmal ein Hund.
    Die Tür war, soweit ich das im Finstern erkennen konnte, aus rohem Holz und über und über mit Nägeln beschlagen. Zögernd hob ich die Hand und klopfte ein einziges Mal an. Dann wartete ich. Im Hause blieb alles totenstill. Wohl eine Minute verging, in der sich nichts rührte, nur die Fledermäuse über meinem Kopf raschelten. Wieder klopfte ich, und wieder lauschte ich. Nach und nach hatten sich meine Ohren so an die Stille gewöhnt, daß ich von drinnen das Ticken einer Uhr hören konnte. Sekunde um Sekunde verrann; aber wer es auch gewesen sein mochte, der vorhin in dem Hause rumort hatte, jetzt verhielt er sich mäuschenstill, ja, er mußte den Atem angehalten haben.
    Ich war mir nicht im klaren, ob ich weglaufen sollte; doch der Zorn gewann die Oberhand, und ich trommelte mit Fäusten und Füßen gegen die Tür und schrie laut nach Mr. Balfour.
    Noch war ich im schönsten Ansturm, als ich hörte, wie über mir jemand hüstelte. Zurückspringend sah ich in einem Fenster des ersten Stockwerkes den Kopf eines Mannes mit einer riesigen Nachthaube auftauchen und daneben die Mündung einer auf mich gerichteten Donnerbüchse.
    »Achtung, sie ist geladen«, rief eine Stimme von oben.
    »Ich bringe einen Brief«, sagte ich, »an Mr. Ebenezer Balfour of Shaws. Ist er hier?«
    »Von wem ist der Brief?« fragte der Mann mit der Donnerbüchse.
    »Darum geht es nicht«, erwiderte ich, denn ich wurde immer ärgerlicher.
    »Schön«, sagte der Mann, »du kannst ihn auf die Türschwelle legen und machen, daß du fortkommst.«
    »Fällt mir gar nicht ein«, gab ich zurück, »ich werde den Brief nur Mr. Balfour selber in die Hand geben, wie es der Schreiber gewünscht hat; es ist ein Empfehlungsbrief.«
    »Ein was?« wurde grob zurückgefragt.
    Ich wiederholte: »Ein Empfehlungsbrief!«
    »Und du, wer bist du?« wurde ich nach längerer Pause gefragt.
    »Ich schäme mich meines Namens nicht«, erwiderte ich, »ich heiße David Balfour.«
    Bei diesen Worten war, wie ich merkte, der Mann am Fenster heftig zusammengefahren,
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