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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht
Autoren: Gail Carriger
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zurückzumanövrieren. Es war, als versuche man ein Dampfschiff durch einen Bottich voll aufgewühlter Melasse zu steuern. Ein normaler Sterblicher wäre unter der Last in die Knie gegangen, doch Lyall hatte das Glück, in Zeiten großer Anstrengung auf übernatürliche Kraft zurückgreifen zu können. Lord Maccon war nicht einfach nur groß, er war auch außerordentlich massig, wie eine wandelnde römische Festung.
    »Und wie sind Sie bis hier herausgekommen? Ich erinnere mich noch ganz genau, dass ich Sie gestern Abend ins Bett gesteckt habe, bevor ich Ihr Zimmer verließ.« Professor Lyall sprach sehr klar und deutlich, da er nicht ganz sicher war, wie viel davon in den begriffsstutzigen Schädel seines Alphas sickerte.
    Lord Maccons Kopf schwankte leicht hin und her, während er versuchte, Professor Lyalls Worten zu folgen.
    »Wollte ’n kleinen nächtlichen Spaziergang machen. Brauchte Ruhe und Frieden. Brauchte Wind in meinem Fell. Brauchte Gras unter den Pfoten. Brauchte … Oh, ich kann’s nich’ – hicks – erklären … Brauchte die Gesellschaft von Igeln.«
    »Und haben Sie’s gefunden?«
    »Was gefunden? Keine Igel. Blöde Igel.« Lord Maccon stolperte über einen Seidelbaststrauch, einen von vielen, die den Weg zu einem Seiteneingang des Hauses säumten. »Wer hat das da hingestellt, verflixt noch mal?«
    »Frieden! Haben Sie Ruhe und Frieden gefunden?«
    Lord Maccon blieb stehen, straffte sich und warf sich in die Brust, eine Haltung, die ihm durch den Militärdienst in Fleisch und Blut übergegangen war. Auf diese Weise überragte er seinen Beta wie ein Turm. Doch trotz des kerzengeraden Rückens brachte der Alpha es fertig, hin- und herzuschwanken, als kämpfe sich das bereits erwähnte Dampfboot in der Melasse durch einen heftigen Sturm.
    »Sehe ich vielleicht …«, artikulierte er sehr sorgfältig, »… so aus, als habe ich Frieden gefunden?«
    Darauf wusste Professor Lyall nichts zu erwidern.
    »Genau!«, bekräftigte Lord Maccon mit einer weit ausladenden, rudernden Geste. »Sie steckt …«, er hielt sich zwei kräftige Finger an den Kopf, als wären sie der Lauf einer Pistole, »… hier drin.« Dann rammte er sie sich in die Brust. »Und hier. Werd sie einfach nich’ los. Klebriger als …« Seine Fähigkeit, passende Metaphern zu finden, ließ ihn im Stich. »Klebriger als … kalter Porridge, der ganz pappig an der Schüssel klebt«, brachte er schließlich triumphierend hervor.
    Professor Lyall fragte sich, was Lady Alexia Maccon wohl dazu gesagt hätte, mit solch einer langweiligen Speise verglichen zu werden. Sie hätte ihren Ehemann vermutlich mit etwas noch weniger Schmackhaftem verglichen, zum Beispiel Haggis.
    Mit großen, seelenvollen Augen, deren Farbe sich mit seiner Stimmung veränderte, sah Lord Maccon seinen Beta an. Gegenwärtig hatten sie einen blassen Karamellton und blickten ziemlich verschwommen. »Warum musste sie nur hergeh’n und so was tun?«
    »Ich glaube nicht, dass sie es getan hat.« Das hatte Professor Lyall seinem Alpha schon seit geraumer Zeit sagen wollen. Er hatte nur gehofft, dass diese Diskussion während einem der seltenen nüchternen Augenblicke des Earls stattfinden würde.
    »Na, warum hat sie dann gelogen?«
    »Nein. Was ich damit sagen will, ist: Ich glaube nicht, dass sie gelogen hat.« Lyall ließ sich nicht unterkriegen. Die Aufgabe eines Betas innerhalb des Werwolfsrudels war es, seinen Alpha in allen Dingen zu unterstützen – öffentlich. Und seine Entscheidungen unter vier Augen so oft wie möglich zweifelnd zu hinterfragen.
    Lord Maccon räusperte sich und sah seinen Beta mit kurzsichtiger Ernsthaftigkeit unter grimmigen Augenbrauen hervor an. »Randolph, das mag jetzt möglicherweise ein Schock für Sie sein, aber ich bin ein Werwolf.«
    »Jawohl, Mylord.«
    »Zweihundertundein Jahr alt.«
    »Jawohl, Mylord.«
    »Unter solchen Umständen, das müssen Sie doch verstehen, ist eine Schwangerschaft nich’ möglich.«
    »Für Sie natürlich nicht, Mylord.«
    »Danke, Randolph, das is’ wirklich sehr hilfreich!«
    Professor Lyall hatte das eigentlich für recht witzig gehalten, doch in Sachen Humor war er noch nie besonders gut gewesen. »Aber Sir, wir wissen so überaus wenig über den Zustand der Außernatürlichkeit. Und den Vampiren gefiel der Gedanke, dass Sie sie heiraten, noch nie. Könnte es vielleicht sein, dass die irgendetwas wissen?«
    »Vampire wissen immer irgendwas.«
    »Darüber, was geschehen sein könnte.
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