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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht
Autoren: Gail Carriger
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Korridor zur Treppe, mehrere Stockwerke empor und die letzten Schritte bis zum Schlafgemach des Earls im Turm. Die ganze Aktion forderte nur drei Opfer: Lord Maccons Würde (mit der es an diesem Punkt ohnehin nicht mehr weit her war), Major Channings Ellbogen (der Bekanntschaft mit einem Mahagoniknauf am Treppengeländer machte) und einer unschuldigen etruskischen Vase (die sterben musste, damit Lord Maccon mit ausreichender Übertreibung schwanken konnte).
    Irgendwann im Laufe der Ereignisse fing Lord Maccon an zu singen. Es war eine obskure schottische Ballade oder vielleicht auch ein etwas neueres, moderneres Stück über sterbende Katzen – das war bei Lord Maccon schwer zu sagen. Vor seiner Metamorphose war er ein ziemlich angesehener Opernsänger gewesen, zumindest besagten das Gerüchte, doch während der Verwandlung in seinen übernatürlichen Zustand war seine Singstimme unwiderruflich zerstört worden. Sein Talent als Sänger hatte sich mit einem Großteil seiner Seele verflüchtigt, und nun konnte er einem mit dem kleinsten Liedchen echte Schmerzen verursachen.
    Die Metamorphose war zu manchen gnädiger als zu anderen, dachte sich Lyall mit einem leichten Schaudern.
    »Will nich’«, protestierte seine Lordschaft an der Tür zu seinem Schlafgemach. »Zu viele Erinnerungen dort drinnen.«
    Dabei fand sich im Zimmer keine Spur mehr von Alexia. Sie hatte alle ihre persönlichen Besitztümer mitgenommen, kaum dass sie aus Schottland zurückgekehrt war. Doch die drei Männer im Türrahmen waren Werwölfe. Sie brauchten nur zu schnuppern, ihr Duft lag immer noch in der Luft – Vanille mit einem Hauch von Zimt.
    »Das wird eine lange Woche werden«, stieß Channing in hilfloser Verzweiflung hervor.
    »Helfen Sie mir einfach nur, ihn ins Bett zu bringen.«
    Durch gutes Zureden und rohe Gewalt gelang es den beiden Werwölfen, Lord Maccon in das riesige Himmelbett zu verfrachten, wo er bäuchlings liegen blieb und beinahe auf der Stelle zu schnarchen begann.
    »Da muss etwas unternommen werden. So kann das mit ihm einfach nicht weitergehen.« Channing sprach mit dem Akzent der privilegierten Elite. Es störte Professor Lyall, dass sich der Gamma nie die Mühe gemacht hatte, ihn im Laufe der Jahrzehnte abzulegen. In diesem modernen Zeitalter redeten nur noch ältliche Matronen mit zu vielen Zähnen auf diese Weise.
    Lyall verkniff sich einen Kommentar.
    »Was ist, wenn jemand ihn herausfordern oder um die Metamorphose bitten will? Beides dürfte in Zukunft öfter vorkommen, nun, da es ihm sogar gelungen ist, erfolgreich eine Frau in einen Werwolf zu verwandeln. Wir können Lady Kingair in Schottland nicht für immer geheim halten.« In Channings Stimme klangen sowohl Stolz als auch Verärgerung. »Die Claviger-Bewerbungen sind bereits sprunghaft angestiegen. Darum sollte sich unser Alpha kümmern und nicht seine Tage damit verbringen, betrunken herumzutorkeln. Dieses Verhalten schwächt das Rudel.«
    »Ich kann die Herausforderer abwehren«, sagte Professor Lyall ohne Scham oder Bescheidenheit und ohne Prahlerei. Randolph Lyall mochte vielleicht weder so groß noch so überaus maskulin wie die meisten Werwölfe sein, doch er hatte sich das Recht, Beta des stärksten Rudels von London zu sein, aufrichtig verdient. Und das so viele Male und auf so mannigfaltige Weise, dass kaum jemand mehr Zweifel daran hegte.
    »Aber Sie sind nicht zur Anubis-Gestalt in der Lage. Sie können nicht in jeder Beziehung für unseren Alpha einspringen.«
    »Kümmern Sie sich nur um Ihre Aufgaben als Gamma, und überlassen Sie mir den Rest.«
    Major Channing bedachte sowohl Lord Maccon als auch Professor Lyall mit einem verächtlichen Blick und stolzierte dann aus dem Zimmer, wobei der Zopf seines langen Blondhaars vor Verärgerung hin- und herschwang.
    Professor Lyall hatte eigentlich beabsichtigt, es ihm gleichzutun, nur ohne das lange, schwingende Blondhaar, doch da vernahm er vom breiten Bett her ein geflüstertes »Randolph«. Er trat an die Seite der großen Federmatratze. Der Earl hatte die goldbraunen Augen wieder geöffnet und sah ihn mit verschwommen Blick an.
    »Ja, Mylord?«
    »Wenn …« Der Earl schluckte nervös. »Wenn ich wirklich falsch liege – und ich sag nich’, dass ich das tu –, aber wenn doch, dann werd’ ich wieder katzbuckeln müssen, nich’ wahr?«
    Professor Lyall hatte den Ausdruck auf Lady Maccons Gesicht gesehen, als sie zurückkam, um ihre Sachen zu packen und Woolsey Castle zu verlassen. Sie
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