Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht
Autoren: Gail Carriger
Vom Netzwerk:
1

    Die Misses Loontwill setzen sich mit einem Skandal in ihrer Mitte auseinander
    W ie lange müssen wir diese schreckliche Demütigung denn noch ertragen, Mama?«
    Lady Alexia Maccon, die gerade das Frühstückszimmer hatte betreten wollen, hielt inne, als die nicht gerade liebliche Stimme ihrer Schwester Felicity schrill die anheimelnden Geräusche von klappernden Teetassen und knusperndem Toast durchschnitt. Wenig überraschend stimmte gleich darauf Evylin in das morgendliche Duett wohlgeübter Quengelei mit ein.
    »Ja, Mamilein, solch ein Skandal unter unserem Dach! Man kann wirklich nicht von uns erwarten, dass wir das noch länger hinnehmen.«
    Felicity bekräftigte noch einmal ihren Standpunkt. »Es ruiniert unsere Chancen …«, knusper, knusper, »… unwiderruflich. Das ist völlig untragbar! Wirklich, das ist es.«
    In der Hoffnung, noch mehr belauschen zu können, tat Alexia so, als wolle sie im Flurspiegel ihr Aussehen noch einmal überprüfen, doch zu ihrer großen Verärgerung kam Swilkins, der neue Butler der Loontwills, mit einem Tablett voll gebratener Räucherheringe um die Ecke. Er bedachte sie mit einem missbilligenden Blick, der viel darüber aussagte, was er von einer jungen Dame hielt, die beim Belauschen ihrer eigenen Familie ertappt wurde. Lauschen war schließlich von Rechts wegen eine Kunstform, die ausschließlich Butlern vorbehalten war.
    »Guten Morgen, Lady Maccon«, sagte er laut genug, dass die Familie es selbst über ihr Geklapper und Geplapper hinweg hören konnte. »Gestern wurden mehrere Nachrichten für Sie abgegeben.« Er reichte Alexia zwei zusammengefaltete und versiegelte Briefe und wartete dann demonstrativ, um ihr beim Betreten des Frühstückszimmers den Vortritt zu lassen.
    »Gestern! Gestern! Und warum, bitte schön, haben Sie sie mir dann gestern nicht ausgehändigt?«
    Swilkins antwortete nicht.
    Ziemliches Ekelpaket, dieser neue Butler. Alexia fand, dass es kaum etwas Schlimmeres gab, als mit seinem Hauspersonal in einem Zustand der Feindseligkeit zu leben.
    In ihrer Verärgerung stürmte sie das Frühstückszimmer regelrecht und richtete ihren Zorn gegen die, die vor ihr saßen. »Guten Morgen, liebste Familie!«
    Vier blaue Augenpaare bedachten sie mit anklagenden Blicken, während sie auf den einzigen leeren Stuhl zumarschierte. Nun ja, drei Augenpaare – der Right Honorable Squire Loontwill war voll und ganz damit beschäftigt, sein weich gekochtes Frühstücksei ordnungsgemäß zu köpfen, wozu es der Anwendung eines ausgeklügelten kleinen Gerätes bedurfte, das ein wenig wie eine horizontal gehaltene Guillotine aussah und die Spitze des Eis in glatter, kreisrunder Vollkommenheit kappte. Derart vergnüglich beschäftigt machte er sich nicht die Mühe, der Ankunft seiner Stieftochter irgendeine Aufmerksamkeit zu schenken.
    Alexia goss sich ein Glas Gerstenwasser ein und nahm sich ein Stück Toast vom Toastständer, ohne Butter, während sie angestrengt versuchte, den Frühstücksduft nach geräucherten Kippers zu ignorieren. Früher war das ihre Lieblingsspeise gewesen; jetzt drehte sich ihr davon unweigerlich der Magen um. Bislang erwies sich dieses ungeborene Ungemach – wie sie es in Gedanken zu nennen pflegte – als viel anstrengender, als man für möglich halten mochte, bedachte man, dass noch Jahre vergehen würden, bis es überhaupt sprechen oder eigenständig handeln konnte.
    Mrs. Loontwill betrachtete die spärliche Frühstückswahl ihrer Tochter mit offenkundigem Beifall. »Es tröstet mich«, sagte sie zu den am Tisch Versammelten, »dass unsere liebe, arme Alexia regelrecht verkümmert, weil sie sich so nach der Zuneigung ihres Mannes verzehrt. Welch edles Gefühl der Empfindsamkeit!« Eindeutig hielt sie Alexias Frühstücks-Hungerstreik für ein Symptom eines ausgeprägten Anfalls von schwelgerischem Selbstmitleid.
    Alexia warf ihrer Mutter einen verärgerten Blick zu und bearbeitete ihren Toast mit dem Buttermesser. Da ihre ohnehin schon üppige Figur durch das ungeborene Ungemach noch einmal ein wenig an Gewicht zugelegt hatte, war sie etliche Kilos davon entfernt, zu »verkümmern«. Auch neigte sie vom Charakter her nicht gerade zum Schwelgen.
    Darüber hinaus ärgerte sie sich, dass irgendjemand glauben könnte, Lord Maccon habe auch nur das Geringste damit zu tun, dass sie keinen Appetit hatte – vom offensichtlichen Grund einmal abgesehen, von dem ihre Familie bisher noch nichts wusste. Schon öffnete sie den Mund, um ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher