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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Autoren: Bronnenmeyer
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I. 1985 – EIN NEBENFLUSS DER WEICHSEL?
    Pfeifenrauch quoll in trägen Schwaden nach oben und bewegte sich unter der Decke in einem unförmigen Orbit um die Lampe. Zigarettenrauch stieg von der anderen Seite auf und bildete die Ausläufer des Spiralnebels. Etwas frische Luft hätte der Amtsstube gut getan. Auch die eine oder andere Grünpflanze auf dem Fensterbrett oder einem der Aktenschränke. In dem Raum befanden sich zwei Männer, die beide hart mit ihren Dienstpflichten zu kämpfen hatten. Der Jüngere hämmerte auf eine dunkelgrüne Triumph-Adler ein, die auf einem in Ehren angestaubten Resopal-Schreibtisch stand. Der Ältere hatte das Eichendekor seines Arbeitsplatzes mit einer Tageszeitung bedeckt und brütete über der Rätselseite. In der Ecke stand ein Beistelltisch, auf dem eine Kaffeemaschine brodelte, und das Kofferradio auf dem niedrigen Regal daneben spielte aktuelle Unterhaltungsmusik.
    » Atlantis is calling – SOS for love « , kreischte es aus dem kleinen Lautsprecher.
    »Atlantis«, murmelte Herbst, die Pfeife im Mundwinkel, »mythischer Kontinent. Passt.«
    »Das ist gerade der letzte Schrei«, sagte Alfred von seiner Schreibmaschine aufblickend. »Modern Talking. Letzte Woche musste ich meinem Sohn die Platte kaufen.«
    » Atlantis is calling from the stars above … «
    »Immer diese englische Singerei …«, brummte Herbst. »Nelkengewächs, Vogelkraut … wo doch die deutsche Sprache so schön ist. Und es gibt so viele Wörter.«
     
    Alfred lenkte seine Gedanken wieder zurück auf den Bericht. Er fragte sich ein Mal mehr, ob es richtig war, die Ermittlungen aufgrund fehlender Indizien und nicht erfolgter Identifizierung des Toten vorläufig einzustellen, und ob sie tatsächlich alles Mögliche und Unmögliche versucht hatten, um den Mörder zu finden. Wenn das Opfer wirklich ein Osteuropäer war, konnte in absehbarer Zeit tatsächlich nicht mit neuen Hinweisen gerechnet werden. Andererseits gab es keine Verjährungsfrist für Mord, und ungelöste Mordfälle blieben manchmal Jahrzehnte bei der Staatsanwaltschaft auf Wiedervorlage … Warum war es in der heutigen Zeit immer noch möglich, dass ein Toter so völlig unbekannt blieb? Warum empfand er so etwas als Misserfolg? Und warum gab es noch kein Tipp-Ex, das die zwei Durchschläge gleich mit korrigierte?
    »Die basteln jetzt schon an Schreibmaschinen, wo man eine ganze Seite im Voraus tippen und dann noch einmal korrigieren kann, bevor sie geschrieben wird«, sagte Herbst, als er sah, wie Alfred sich mit dem kleinen weißen Papierstreifen abmühte.
    »Du wirst es kaum für möglich halten, aber es gibt auch Computer«, entgegnete Alfred, »mit denen kann man hundert Seiten schreiben, immer wieder korrigieren und dann ausdrucken, sooft man will.«
    »Ja, ja«, Herbst stopfte seine Pfeife nach und nichts in seinem Gesichtsausdruck ließ erahnen, was er dachte.
    »Was meinst du?«, fragte Alfred, »haben wir die Ermittlungen aufgegeben oder bis auf weiteres eingestellt?«
    »›Jetzt bringt den Russen endlich unter die Erde‹«, zitierte Herbst, »das waren doch die Worte vom Staatsanwalt, nicht wahr?«
    »Ja, schon …«
    »Also, dann lass ihn in Frieden ruhen! Wir haben schließlich noch genug andere Arbeit.«
    »Wir könnten doch wenigstens versuchen, ob wir damit zu Aktenzeichen XY kommen«, schlug Alfred vor. »Das sehen jedes Mal zig Millionen Zuschauer. Danach können wir ihn ja immer noch abschreiben.«
    »Glaubst du, die da drüben würden so einen Aufwand wegen einem von uns treiben?«, Herbst gestikulierte mit dem abgekauten Mundstück der Pfeife in Alfreds Richtung. »Es gibt eben so ungeschriebene Gesetze und wir tun gut daran, sie zu beachten, glaube mir. Wahrscheinlich könnten wir mehr für ihn tun, wenn er von einem anderen Stern wäre. Übrigens, kennst du einen Nebenfluss der Weichsel?«
     
    Der Tote war in den Morgenstunden von einem Waldläufer entdeckt worden. Der Hund des Joggers hatte unweit des Tiergartens die vorgesehen e Route verlas sen und sich an einem Haufen Laub und trockenem Holz zu schaffen gemacht. Der Mann war zur nächsten Telefonzelle gerannt und hatte die Polizei gerufen. Die Routine-Maschine war bereits angelaufen, als Herbst und Alfred in ihrem 3er BMW vorfuhren. Der Tote lag anscheinend schon zwei bis drei Wochen im Wald und war nicht mehr im besten Zustand.
    »Russe!«, hatte Herbst am Fundort gesagt, seinen Blick in die Umgebung schweifen lassen und festgestellt: »Da schau her, wir haben Juni
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