Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
[ Menü ]
    |9| VORSPIEL
Ein kleiner Zirkus namens Monte
    1

    Ein junger Mann stürmt den Burstah entlang. Während des Laufens schießt er wütende, schiefe Blicke nach den Schaufenstern der Läden, die in dieser Hauptstraße von Altholm dicht an dicht liegen.
    Der junge Mann, um die fünfundzwanzig, verheiratet und nicht häßlich, trägt einen alten schwarzen Rockpaletot, blankgescheuert, einen breitkrempigen schwarzen Filz und schwarzumränderte Brille. Sein blasses Gesicht dazu – und er scheint ein Leichenbitter, würdig jeder »Pietät« und »Ruhe sanft«.
    Wennschon der Burstah der Broadway von Altholm ist, lang ist er nicht. Nach drei Minuten ist der junge Mann am letzten Haus, direkt am Bahnhofsplatz. Er spuckt kräftig aus und verschwindet nach dieser neuen Äußerung seiner Stinkwut im Hause der »Pommerschen Chronik für Altholm und Umgebung, Heimatblatt für alle Stände«.
    Hinter der Barre der Expedition hockt eine gelangweilte Tippöse, die das Manuskript eines Zeitungsromans wegstecken will. Sie bremst diese Bewegung ab, als sie sieht, es ist nur der Annoncenwerber Tredup.
    Er schmeißt einen Papierfetzen auf den Tisch. »Da! Das ist alles. Geben Sie’s in die Setzerei. – Sind die andern drinnen?«
    »Wo sollen die denn sonst sein?« fragt die Schöne dagegen. »Wird das berechnet?«
    »Natürlich wird das nicht berechnet. Haben Sie schon mal gesehen, daß ein Affe uns Anzeigen bezahlt hat?! Neun Mark kostet sie. War der Chef schon unten?«
    »Der Chef erfindet schon wieder seit fünf.«
    »Gott soll schützen! Und die Chefin? Dun?«
    |10| »Weiß nicht. Denke. Fritz hat ihr um acht eine Pulle Kognak holen müssen.«
    »Dann ist ja alles in schönster Ordnung. – O Gott, was mich dieser Stall ankotzt! – Sind die drinnen?«
    »Das haben Sie schon mal gefragt.«
    »Haben Sie sich nicht, Klara, Klärchen, Klarissa. Ich hab Sie heute nacht um halber eins aus der Grotte kommen sehen.
    »Wenn ich von meinem Gehalt leben sollte …«
    »Weiß ich, weiß ich. Ob der Chef Geld hat?«
    »Ausgeschlossen.«
    »Und der Wenk, hat der was in der Kasse?«
    »Ostseekino hat gestern abend bezahlt.«
    »Also hole ich mir Vorschuß. Drinnen ist er doch?«
    »Ich glaube, Sie haben …«
    »Das schon einmal gefragt. Mehr als eine Walze, bitte, meine Holde. Vergessen Sie nicht das Inserat.«
    »Gott. Und wennschon.«

    2

    Tredup zieht die Schiebetür zum Redaktionszimmer mit einem Ruck auf, geht durch und drückt sie sachte wieder zu. Der lange Geschäftsführer Wenk hockt in einem Sessel und pult an den Nägeln. Redakteur Stuff schmiert irgendeinen Mist.
    Tredup feuert seine Mappe in ein Schrankfach, hängt Hut und Mantel beim Ofen auf und setzt sich an seinen Schreibtisch. Er zieht gleichgültig, als fühle er nicht die fragenden Blicke, einen Kartothekkasten hervor und beginnt Karten zu sortieren. Wenk hält mit Nägelschneiden inne, betrachtet sorgend die Klinge im Licht der Sonne, wischt sie an seinem Bürolüsterjackett ab, klappt das Messer zu und sieht Tredup an. Stuff schreibt weiter.
    Es erfolgt nichts. Wenk nimmt ein Bein von der Sessellehne und fragt wohlwollend: »Na, Tredup?«
    |11| »Bitte,
Herr
Tredup!«
    »Na,
Herr
Tredup?«
    »Du kannst mir mal mit deinem ›Na‹!«
    Wenk wendet sich an Stuff. »Er hat nichts, Stuff, sage ich dir. Nichts hat er.«
    Stuff glupscht unter seinem Klemmer auf Tredup, zieht seinen graumelierten Walroßbart durch die Zähne und bestätigt: »Natürlich hat er nichts.«
    Tredup springt wütend auf. Der Kartothekkasten fliegt mit einem Knall auf die Erde. »Was heißt ›natürlich‹? Ich verbitte mir ›natürlich‹! In dreißig Geschäften bin ich gewesen! Kann ich die Leute notzüchtigen? Soll ich ihnen die Inserate aus der Nase ziehen? Wenn sie nicht wollen, wollen sie nicht. Ich bettele schon … Und so ein Schreibknecht sagt ›natürlich‹. Lächerlich!«
    »Reg dich bloß nicht künstlich auf, Tredup. Was hat denn das für einen Sinn?«
    »Natürlich rege ich mich auf über dein ›Natürlich‹. Geh du doch selber einmal los Annoncen sammeln. Diese Affen! Diese Krämer! Diese drehstierige Bande! ›Ich inseriere vorläufig nicht.‹ – ›Ich habe keine Meinung für Ihr Blatt.‹–›Besteht die „Chronik“ überhaupt noch? Ich dachte, sie wäre längst eingegangen.‹ – ›Kommen Sie morgen wieder.‹ – Es ist zum Kotzen!«
    Wenk murmelt aus seinem Sessel: »Ich traf heute früh den Maschinenmeister von den ›Nachrichten‹.
Die
kommen heute mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher