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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
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erheben sich.
    Der lange Bartlose steht aus dem Sofa auf. »Stoß die Tür auf, Päplow, zum Gastzimmer, daß alle hören. Ich verkünde den Beschluß der Bauern von Gramzow.«
    Die Tür geht auf, und im gleichen Augenblick erheben sich die Bauern draußen. Der Lange fragt durchs Lokal zu einem weißbärtigen Bauern an der Außentür: »Sind die Wachen besetzt?«
    »Sie sind besetzt, Vorsteher.«
    Der Lange fragt nach der Tonbank mit dem kleinen wieselartigen Wirt: »Ist kein Weibervolk in der Nähe, Krüger?«
    »Kein Weibervolk, Vorsteher.«
    »So verkünde ich, der Gemeindevorsteher Reimers von Gramzow, den Beschluß der Bauernschaft, gefaßt von ihren erwählten Vertretern:
    Es liegt ein Entscheid des Finanzamts Altholm vom zweiten |28| März vor gegen den Bauern Päplow, daß er zu zahlen hat an rückständiger Einkommensteuer aus dem Jahre 1928 vierhundertunddreiundsechzig Mark.
    Wir haben zu diesem Entscheid den Bauern Päplow gehört. Er hat geltend gemacht, daß dem Entscheid die Durchschnittsertragsberechnung für Höfe dieser Gegend zugrunde liegt. Daß dieser Durchschnittsertrag auf sein Anwesen aber keine Anwendung finden könne, weil er im Jahre 1928 außerordentliche Schädigungen erlitten hat. Zwei Pferde sind ihm eingegangen an Kolik. Eine Sterke ist beim Kalben verreckt. Seinen Vater, den Altenteiler, hat er ins Krankenhaus nach Altholm schaffen müssen und dort über ein Jahr erhalten.
    Diese Gründe zum Steuernachlaß sind dem Finanzamt bekanntgemacht, sowohl direkt, durch den Bauern Päplow, wie durch mich, den Gemeindevorsteher. Das Finanzamt hat die Veranlagung aufrechterhalten.
    Wir Bauern von Gramzow erklären den Beschluß des Finanzamtes Altholm für null und nichtig, weil er einen Eingriff in die Substanz des Hofes bedeutet. Wir verweigern dem Finanzamt und seinem Auftraggeber, dem Staat, jede Mithilfe in dieser Sache, es geschehe uns Liebes oder Leides.
    Die vor fünfzehn Tagen vorgenommene Pfändung zweier gut angegraster Ochsen des Bauern Päplow ist nichtig. Wer bei der heute angesetzten Versteigerung dieser Ochsen ein Gebot auf sie abgibt, soll von Stund an nicht mehr Glied der Bauernschaft sein. Geächtet soll er sein, niemand darf ihm Hilfe leisten, sei es in Nöten der Wirtschaft, des Leibes oder der Seele. In Acht soll er sein, in Gramzow, im Kreise Lohstedt, im Lande Pommern, im Staate Preußen, im ganzen Deutschen Reiche. Niemand darf zu ihm sprechen, niemand darf ihm die Tageszeit bieten. Unsere Kinder sollen nicht mit seinen Kindern sprechen, und unsere Frauen sollen nicht mit seiner Frau reden. Er lebe allein, er sterbe allein. Wer gegen einen von uns handelt, hat gegen uns alle gehandelt. Der ist heute schon tot.
    |29| Habt ihr alle gehört, Bauern von Gramzow?«
    »Wir haben gehört, Vorsteher.«
    »So handelt danach. Ich schließe die Bauernversammlung. Die Wachen sind zurückzuziehen.«
    Die Tür zwischen Gast- und Wirtsstube geht wieder zu. Der Gemeindevorsteher Reimers setzt sich, wischt sich die Stirn ab und tut einen Zug vom kalt gewordenen Grog. Dann sieht er auf die Uhr. »Fünf Minuten bis elf. Es wird Zeit, daß du verschwindest, Päplow, sonst kann dir der Knecht vom Finanzamt das Protokoll vorlesen.«
    »Ja, Reimers. Aber wie wird es, wenn sie die Ochsen forttreiben?«
    »Sie werden die Ochsen nicht forttreiben, Päplow.«
    »Wie willst du es hindern? Mit Gewalt?«
    »Keine Gewalt. Nie Gewalt gegen diesen Staat und seinen Verwaltungsapparat. Ich weiß etwas anderes.«
    »Wenn du etwas anderes weißt … Es müßte nur sicher sein. Ich brauche das Geld für die Ochsen.«
    »Es ist sicher. Morgen wissen alle Bauern im Land, wie man in Gramzow mit dem Finanzamt fertig wird. Geh nur ruhig.«
    Der Bauer Päplow geht durch die Hintertür über den Hof hinaus, verschwindet an einem Knick. Die sieben Bauern gehen in die volle Gaststube.

    3

    Vor den Fenstern der Wirtschaft entsteht Bewegung: Die beiden Beamten vom Finanzamt kommen. Jeder führt einen rotbunten Stier am Halfter.
    Sie sind auf dem Hof von Päplow gewesen. Irgendein Knecht war da und hat sie in den Stall gelassen zu den gepfändeten Tieren. Kein Bauer war zu sehen, keine Bäuerin, niemand, der Auftrag gehabt hätte, die Pfandsumme zu erlegen. So haben sie die Tiere aufgehalftert und sind mit ihnen zum Krug gekommen, die angesetzte und bekanntgemachte Versteigerung abzuhalten.
    |30| Sie binden die Tiere ans Reek vor der Tür und treten in die Wirtschaft. Im Gastzimmer ist Gerede gewesen, halblauter
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