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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
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doch mal hören …«
    Und er marschiert auf den Obersten zu.
    »Sie versäumen Ihren Zug«, ruft der Assessor.
    »Guten Morgen, Herr Oberst. Ich bin hier zwar nicht mehr Bürgermeister, aber der Rummel interessiert mich doch noch. Was ist nun wieder los?«
    »Guten Morgen, Herr Bürgermeister. Seien Sie froh, daß Sie fortgehen. Die Bauern wollen hier wieder demonstrieren.«
    »Die Versöhnung, ja«, sagt der Bürgermeister. »Und …?«
    »Die Regierung hat die Demonstration verboten. Wir sorgen für Empfang und Abtransport der Bauern.«
    Der Bürgermeister steht nachdenklich da.
    »Ja. Ja«, sagt er schließlich. »Ja. Na, entschuldigen die Herren. Guten Morgen.«
    »Glückliche Reise«, ruft ihm der Oberst nach. Der unbeachtete Frerksen legt einen Finger an den Mützenrand.
    Wortlos geht der Bürgermeister in den Bahnhof, löst sich seine Karte, geht durch die Schranken. Den Assessor hat er wohl vergessen.
    Der geht stumm nebenher.
    Auch auf den Treppen, auf den Bahnsteigen steht Schupo.
    »Wann kommt eigentlich der nächste Stolper Zug?« fragt Gareis zerstreut.
    »Neun Uhr sechsundfünfzig.«
    »Und ich fahre neun Uhr neunundfünfzig. Ich steige in deren Stolper Zug ein.«
    Auf dem Bahnsteig steht Manzow mit ein paar Herren. Dr. Hüppchen grüßt verstohlen herüber. Die andern sehen ihren ehemaligen Bürgermeister nicht.
    Der Zug läuft ein. Er ist vollkommen überfüllt. Kaum |656| sind die Bauern, ein paar hundert, raus aus ihren Abteilen, so setzt die Schupo mit ihrem Sprechchor ein: »Weitergehen! Den Bahnsteig räumen! Weitergehen!« Zwischen zwei Reihen Schupo schieben sich wie eine Herde die völlig verblüfften, die fassungslosen Bauern gegen die Treppen. In ihrem Strudel sieht der Bürgermeister Stuff, Manzow, Dr. Hüppchen, Meisel, den fluchenden Medizinalrat.
    »Sie müssen einsteigen, Herr Bürgermeister«, mahnt der Assessor.
    Sie entschwinden.
    »Ach ja.« Der Bürgermeister seufzt.
    Dann, aus dem Abteilfenster: »Natürlich ist es richtig, daß die Bauern hier nicht grade heute demonstrieren. Aber sie machen’s wieder mit den falschen Gründen. Alle. Alle. Der Manzow. Der Temborius. Die Bauern selbst. Nichts um der Sache willen. Immer aus irgendwelchen miekrigen Interessen.«
    »Ich habe«, sagt der Assessor, »eben den Stuff gesehen. Wissen Sie, vor einem halben Jahr waren alle so wütend auf ihn, weil er einen kleinen Zirkus verrissen hatte. Die Vorstellung war Mist gewesen, aber nicht darum hatte Stuff sie verrissen, sondern weil der Zirkusdirektor nicht inseriert hatte.
    Daran habe ich eben denken müssen.«
    »Richtig«, sagt der Bürgermeister. »Das ist es. Das ist genau die Sache. Und ich habe auch mitgemacht im Zirkus Monte und bin genauso gewesen wie die andern.«
    »Nicht genauso, Bürgermeister. Nicht genauso.«
    Der Zug fährt langsam an.
    »Doch. Doch. Genauso.«
    »Aber in Breda wird alles anders?«
    »Hoffen wir«, schreit Bürgermeister Gareis und ist schon zehn Meter weiter.
» Ich
hoffe stark.«

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Informationen zum Buch
    Es begann mit einer Viehpfändung, die von aufgebrachten Bauern vereitelt wurde. Von nun an gerät alles aus den Fugen im Intrigenspiel gegensätzlicher Interessen.
    Was Fallada als Berichterstatter beim "Landvolkprozeß" 1929 im schleswig-holsteinischen Neumünster erlebte, verlegte er für seinen spannenden, handlungsreichen Roman in eine pommersche Kleinstadt. Keiner ihrer Honoratioren, Polizisten, Geschäftsleute, Journalisten oder auch Außenseiter hat eine saubere Weste. Jeder weiß etwas von jedem, jeder kann jeden verdächtigen, anschwärzen, erpressen. Diese Kleinstadtmafia mit den notorischen Dummköpfen, Gaunern, Feiglingen und Heuchlern erweist sich als ein Panoptikum seelisch und moralisch verkrüppelter Verlierer. Tucholsky nannte Falladas Satire ein "politisches Lehrbuch der Fauna Germanica, wie man es sich nicht besser wünschen kann".

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Informationen zum Autor
    RUDOLF DITZEN alias HANS FALLADA (1893 Greifswald bis 1947 Berlin), zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittergütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit »Der junge Goedeschal«. Der vielfach übersetzte Roman »Kleiner Mann – was nun?« (1932) machte Fallada weltbekannt.
    Wichtigste Werke: »Bauern, Bonzen und Bomben« (1931), »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt« (1934), »Wolf unter Wölfen« (1937), »Der eiserne Gustav« (1938), »Geschichten aus der Murkelei«
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