Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
öffentliche Ruhe und Sicherheit ist durch diese Demonstration gefährdet.«
    Manzow: »Ich übernehme als Vertreter der Stadt Altholm die Gewähr, daß kein Altholmer Bürger oder Arbeiter daran denkt, die Demonstration zu stören.«
    Temborius: »Und wenn auswärtiger Zuzug Unbesonnenheiten begeht? Nein. Nein. Nichts. Gar nichts.«
    Manzow: »Auswärtiger Zuzug? Die Polizei hat es ja in der Hand, die Zuzugsstraßen abzusperren.«
    Temborius: »Ich kann doch keine öffentlichen Straßen sperren.«
    Manzow: »Dann ist der Wirtschaftsfriede wieder in die Brüche gegangen und Altholm vor dem Ruin.«
    Temborius: »Staatsbelange gehen vor.«
    Manzow: »Aber die Bauern sind bereits unterwegs.«
    Temborius: »Schupo empfängt sie auf dem Bahnhof und sorgt für sofortigen Rücktransport.«
    Manzow: »Die Haltung der Regierung ist gesetzwidrig.«
    Temborius, giftig: »Das überlassen Sie bitte mir.«
    Manzow: »Guten Morgen.«
    Temborius schweigt.
    Draußen sagt Dr. Hüppchen erstaunt: »Sie waren ja mächtig scharf, Herr Manzow. Der Präsident hätte vielleicht mit sich reden lassen.«
    »Der? I wo! Nur keine Schwäche. Nun kommt alles darauf |653| an, daß wir sofort einen glänzenden Bericht an die Zeitungen geben, der unsere Arbeit rausstreicht. Noch eine Niederlage kann die Versöhnungskommission nicht ertragen.«
    »Das macht sich leicht.«
    »Ja, dann werden wir morgen alle gut abschneiden.«
    »Wieso grade morgen?«
    »Nun, soweit wir auf den Wahllisten stehen. Ich, Lienau und Meisel.«
    »Ach so, selbstverständlich. Gehen Sie nun eigentlich noch zum Bauernempfang auf den Bahnhof?«
    »Hat es Zweck? Vielleicht verlangen die dann nur das Geld? Und das kriegen sie
jetzt
nicht.«
    Dr. Hüppchen fragt: »Und wird der Boykott weiterlaufen?«
    »Glaube ich nicht. Wo die Bauern uns nun einmal gekommen sind. Ich habe mein Ziel erreicht.«

    10

    Es ist halb zehn Uhr morgens.
    Gareis wird von Assessor Stein zur Bahn gebracht.
    Die Frau ist schon voraus, die Sachen sind voraus. Nun bringt ihn der letzte, der einzige Getreue, der Freund, an die Bahn.
    Wie sie so den sehr belebten Burstah entlanggehen, grüßen den Bürgermeister einige, viele sehen ihn und kennen ihn nicht, viele kennen ihn und sehen ihn nicht.
    »Immer sagen die Leute«, meint Gareis, »daß wir Politiker treulos sind. Die Menschen machen uns das ganz hübsch vor – na, in Breda wird es besser.«
    »Wird es besser?«
    »Natürlich wird es besser. Ich habe hier eine Masse gelernt. Das nächstemal mache ich es anders.«
    »Wie anders?«
    |654| »Überhaupt anders. Ich denke anders. Ich sehe alles anders. – Sie werden es erleben. Sobald ich klarsehe, hole ich Sie nach.«
    »Es wäre schön«, sagt der Assessor. Und nach einer Weile: »Was ich Sie immer schon fragen wollte, Herr Bürgermeister. Erinnern Sie sich noch an den Abend vom Demonstrationstag?«
    »Leider«, brummt Gareis.
    »Eigentlich meine ich nicht den Abend, eigentlich meine ich die Nacht. Wir gingen spazieren. Eine Sternschnuppe fiel.«
    »Möglich. Juli und August fallen eine Masse Sternschnuppen.«
    »Und Sie haben sich was gewünscht. Sie wollten mir erzählen, was Sie sich gewünscht haben.«
    »Ich mir was gewünscht, Steinlein? Unsinn! Ich habe mir im Leben nie was gewünscht wie Arbeit. Auch ohne Sternschnuppen. Höchstens, in ganz wahnsinnigen Stunden, reibungslose Arbeit. Aber das ist genauso, als wünschte man sich das Perpetuum mobile.«
    »Sie haben sich was gewünscht«, sagt der Assessor hartnäckig.
    »Seien Sie nicht komisch. Wenn ich mir was gewünscht habe, habe ich es vergessen. Aber ich habe mir natürlich nichts gewünscht. Sie werden sich was gewünscht haben.«
    »Das ist doch seltsam«, sagt der Assessor, »Sie haben sich was gewünscht. Sie haben sich damals sehr was gewünscht. Und Sie werden nie wissen, ob Ihr Wunsch in Erfüllung gegangen ist oder nicht.«
    »Ich werd ’ne Masse Sachen in meinem Leben nicht erfahren, Steinlein«, sagt der Bürgermeister. »Das macht mir wenig Kummer. Viel mehr Kummer machen mir die Sachen, die ich erfahre.«
    Sie kommen auf den Bahnhofsplatz. Einen aufgeräumten, geordneten Bahnhofsplatz. Alle Zugangsstraßen sind durch Schupo besetzt. Kordons vor den Bahnhofstüren. Wichtig |655| auf und ab eilende Ordonnanzen. Auf einer Verkehrsinsel thront Polizeioberst Senkpiel im Stabe seiner Offiziere. Ihm zur Seite in untadeliger Haltung Polizeioberinspektor Frerksen.
    »Was ist denn das?!« sagt der Bürgermeister elektrisiert. »Das muß ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher