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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht
Autoren: Gail Carriger
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Alles, was sie vorfand, waren Anzeichen für einen hastigen Aufbruch. Außerdem waren wichtige Gegenstände von ihren Ehrenplätzen entfernt worden. Zum Beispiel fehlte die goldene Röhre, die normalerweise wie ein angebetetes Stück Abflussrohr auf dem Kaminsims im Salon thronte, in der sich aber – wie Alexia aus persönlicher Erfahrung wusste – zwei scharfe, gebogene Klingen verbargen. Die Tatsache, dass Lord Akeldama es für angebracht gehalten hatte, diesen speziellen Gegenstand mitzunehmen, verhieß über den Grund seines Aufbruchs nichts Gutes.
    Das einzige Lebewesen, das sich – abgesehen von Alexia – in den Räumlichkeiten zu befinden schien, war die Katze des Hauses. Das fragliche Tier war eine fette Schildpattkatze, die das Gemüt eines beschaulichen Narkoleptikers hatte und sich nur gelegentlich erhob, um heftige und grausame Rache am nächstbesten mit Troddeln geschmückten Zierkissen zu üben. Gegenwärtig fläzte sie sich ausgestreckt auf einem flauschigen Fußkissen, das Kinn auf die Überreste dreier abgerissener Troddeln gebettet. Katzen waren in der Regel die einzigen Geschöpfe, die Vampire tolerierten. Die meisten anderen Tiere hatten das, was Wissenschaftler als gut entwickeltes Beutetierverhaltensmuster bezeichneten. Katzen hingegen betrachteten sich ganz offensichtlich nicht als Vampirbeute. Allerdings verhielt sich diese hier jeder nicht-troddelähnlichen Kreatur gegenüber so vollkommen gleichgültig, dass sie es vermutlich auch inmitten eines Werwolfsrudels ausgehalten hätte.
    »Wohin ist dein Herrchen denn verschwunden, Dickerchen?«, wollte Alexia von dem Fellknäuel wissen.
    Die Katze hatte darauf keine eindeutige Antwort, gestattete Alexia aber gnädig, sie unter dem Kinn zu kraulen. Sie trug ein höchst ungewöhnliches Metallhalsband, und Lady Maccon beugte sich gerade vor, um es näher zu begutachten, als sie leise Schritte im Flur hinter sich hörte.
    Lord Conall Maccon war betrunken.
    Und zwar nicht betrunken auf die halbherzige Art und Weise der meisten übernatürlichen Geschöpfe, wo zwölf Krüge Bier die Welt endlich ein wenig undeutlich werden ließen. Nein, Lord Maccon war sturzbesoffen, hackedicht und ohne jeden Zweifel sternhagelvoll wie eine Strandhaubitze.
    Um einen Werwolf so betrunken zu machen war eine gewaltige Menge Alkohol nötig. Und, so sinnierte Professor Lyall, während er seinen Alpha um einen kleinen Gartenschuppen herummanövrierte, der ungünstigerweise im Weg stand, eine beinahe ebenso übernatürliche Leistung, wie sie sich einzuverleiben, war es, solcher Mengen überhaupt habhaft zu werden. Mit welchen Tricks hatte Lord Maccon das nur geschafft? Und nicht nur das, wie hatte er es geschafft, sich besagten Alkohol so beständig während der letzten drei Tage zu besorgen, ohne nach London zu fahren oder den gut gefüllten Keller von Woolsey Castle anzuzapfen? Also wirklich, dachte der Beta verärgert, eine so gewaltige Trunksucht könnte man beinahe schon an sich für übernatürlich halten.
    Schwerfällig torkelte Lord Maccon gegen den Schuppen und krachte hart mit der Schulter an die Wand aus schweren Eichenbrettern. Das ganze Gebäude schwankte in seinen Grundfesten.
    »Versseihung«, entschuldigte sich der Earl mit einem kleinen Schluckauf. »Hab Sie da nich’ schtehen sehen.«
    »Um Himmels willen, Conall!«, rief sein Beta im Tonfall eines zutiefst Leidgeprüften. »Wie haben Sie es nur geschafft, so blau zu werden?« Mühsam zerrte er seinen Alpha von dem schwer mitgenommenen Schuppen fort.
    »Nich’ betrunken«, behauptete seine Lordschaft, warf seinem Beta einen mächtigen Arm über die Schulter und stützte sich schwer auf ihn. »Bloß’n ganz klissekleines bissch’n beschickert.« Der Akzent seiner Lordschaft wurde jedes Mal merklich schottischer, wenn er unter großer Belastung, starken Emotionen oder, wie im Augenblick, unter dem Einfluss gewaltiger Mengen flüssiger Rauschmittel stand.
    Sie kehrten der Sicherheit des Gartenschuppens den Rücken. Plötzlich kippte der Earl jäh nach vorn, und nur weil er den Arm um seinen Beta gelegt hatte, gelang es ihm, sich auf den Beinen zu halten. »Hoppla! Schön auf’n Boden da aufpassen, ja? Ganz schön hinterhältig, springt einem regelrecht ins Gesicht.«
    »Woher hatten Sie den Alkohol?«, fragte Professor Lyall erneut, während er tapfer versuchte, seinen Alpha wieder auf Kurs zu bringen und über die breite Rasenfläche von Woolseys ausgedehnten Ländereien zum Herrenhaus
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