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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht
Autoren: Gail Carriger
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Brust, bei meiner Treu, das tat es wirklich! Natürlich würde ich so etwas niemals glauben, solange ich lebe! Niemals! Tatsächlich glaube ich immer noch kein einziges Wort davon. Du verstehst sicher, dass wir, Tunny und ich, dich liebend gern bei uns aufnehmen würden, doch unter diesen widerlichen Umständen, wie man so schön sagt – oder heißt es widersinnigen? – können wir dieses Angebot leider unmöglich unterbreiten. Das verstehst du doch? Ich bin sicher, das tust du. Nicht wahr? Aber ich dachte mir, du könntest etwas Trost gebrauchen, und da fiel mir ein, wie viel Aufmerksamkeit du diesem entzückenden Hut beim letzten Mal, als wir miteinander einkaufen waren, geschenkt hast – ach, vor so vielen Monaten, in unserer unbedarften Jugend, oder meine ich unbekümmerte Jugend? –, deshalb habe ich ihn im Chapeau de Poupe für dich gekauft. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihn dir zu Weihnachten zu schenken, aber solch eine emotionale Krise, wie du sie erleiden musst, zeigt, dass jetzt ganz offensichtlich eine weitaus wichtigere Zeit für Hüte ist. Würdest du das nicht auch sagen? Alles, alles, alles Liebe – Ivy.«
    Alexia verstand all die Dinge vollkommen, die Ivy nicht geschrieben hatte. Ivy und ihr frisch angetrauter Ehemann waren beide engagierte Theaterleute und konnten es sich nicht leisten, durch eine Verbindung mit der nun besudelten Lady Maccon die Unterstützung ihrer Gönner zu verlieren. Alexia war erleichtert darüber, kein Angebot von ihnen zurückweisen zu müssen. Das Paar lebte in einer schrecklich kleinen Wohnung im West End, die tatsächlich nur einen einzigen Salon hatte. Es schauderte sie bei der bloßen Vorstellung.
    Entschlossen klemmte sich Lady Maccon den abscheulichen Hut unter den Arm, schnappte sich ihren treuen Sonnenschirm und marschierte hinunter zu der wartenden Kutsche. Sie bedachte Swilkins, der ihr hinein half, mit einem hochmütigen Naserümpfen und wies den Kutscher an, sie zu Lord Akeldamas Stadthaus zu bringen.

2

    Lord Maccon wird mit einer kleinen Gurke verglichen
    L ord Akeldamas Stadthaus lag in einer der modischsten Gegenden Londons. Einer Gegend, die vermutlich deshalb so modisch war, weil sie das große Glück hatte, dass eben jenes besagte Stadthaus dort lag. Alles, was Lord Akeldama tat, tat er modisch, auch wenn dabei manchmal der gesunde Menschenverstand auf der Strecke blieb. Hätte Lord Akeldama plötzlich Ringkämpfe in Fässern voller Aalsülze veranstaltet, wäre das wahrscheinlich innerhalb von vierzehn Tagen Mode geworden.
    Das Äußere seines Hauses war kürzlich nach allerneustem Geschmack und zum ehrfürchtigen Beifall der feinen Gesellschaft umgestaltet worden. Er hatte es in einem blassen Lavendelton tünchen und mit goldenen Verzierungen bemalen lassen, die sich üppig um jedes Fenster und jede Maueröffnung rankten. Ergänzend dazu war zu beiden Seiten der Vordertreppe eine Rabatte aus Fliedersträuchern, Sonnenblumen und Stiefmütterchen gepflanzt worden, was für den Besucher eine gefällige dreistufige Wirkung erzeugte, wenn er die Treppe emporschritt, sogar im Winter.
    Das Haus wirkte wie eine einsame Bastion der guten Laune und behauptete sich tapfer gegen den Londoner Himmel, der sein übliches stumpfes Grau zeigte und Nieselregen ankündigte.
    Niemand reagierte auf Lady Maccons Klopfen oder ihr Läuten an der Klingelschnur, doch die vergoldete Eingangstür war unverschlossen. Mit einer Handbewegung bedeutete Alexia dem Kutscher zu warten, dann trat sie vorsichtig ein, den Sonnenschirm einsatzbereit im Anschlag. Die Zimmer lagen in ungenierter Pracht vor ihr – flauschige Teppiche stellten romantische Schäferszenen dar, und an den gewölbten Decken tummelten sich amouröse, à la Roma gemalte Cherubim.
    »Halloo-o! Jemand zu Hause?«
    Das Haus war völlig verlassen, und offenbar hatte man dies in außerordentlicher Hast getan. Nicht nur gab es hier keinen Lord Akeldama, sondern auch keinen Biffy oder irgendeine andere Drohne. Normalerweise glich Lord Akeldamas Heim einem vergnüglichen Jahrmarkt: Achtlos abgelegte Zylinder und Stapel von Theaterprogrammheftchen lagen herum, in der Luft hing das Aroma von teuren Zigarren und französischem Duftwasser, untermalt mit einem lebhaften Summen aus Geplauder und Ausgelassenheit. Im Vergleich dazu waren das Schweigen und die Stille nur umso auffälliger.
    Langsam arbeitete sich Alexia durch die leeren Räume, als wäre sie eine Archäologin, die ein verlassenes Grabmal besichtigt.
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