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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Autoren: Matthew Skelton
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riesigen neuen Bibliothek, von der William damals im Kleinen Lamm erzählt hatte, würde es gut versteckt sein. Ich wanderte weiter.
    In Rotterdam, wo der Rhein ins Meer mündet, fand ich ein Schiff nach England, und zwei, drei Tage später ging ich von Bord, benommen und orientierungslos — ich stand in einer Stadt, die so groß war, wie ich noch nie eine gesehen hatte: London. Hungrig und frierend schlich ich durch die belebten Straßen, ging den Leuten aus dem Weg, versteckte mich in dunklen Ecken und Winkeln. Ich konnte es kaum erwarten, die Stadt hinter mir zu lassen. Doch sie schien sich endlos hinzuziehen mit all ihren Hafenanlagen, Häusern und Gassen, die den viel befahrenen Fluss säumten Schmutz in ihn hineinspuckten. Wie eine tiefe Kerbe schnitt sich die breite Wasserstraße ins Land. Kleinere Stadtbezirke hingen wie Beulen außerhalb der Befestigungsmauern.
    Es war ganz so, wie der Trunkenbold William vorausgesagt hatte: Der mächtige Strom verengte sich allmählich zu einem übersichtlichen Fluss. Ich folgte seinen Windungen durch eine schöne Landschaft, ab und zu überholt von Schiffen, die mit Seide und Leinen beladen an mir vorüberglitten. Halb verhungert stahl ich mir Essbares aus Farmen und Weilern zusammen. Abends legte ich mich unter überdachte Friedhofstore alter Kirchen und sah mutlos zu, wie der Tag im trüben Flusswasser versank.
    Endlich sah ich auf der anderen Flussseite Oxford im Nebel liegen. Die Türme waren nicht annähernd so großartig, wie ich sie mir vorgestellt hatte - sie drückten sich eher an die Erde, als dass sie gen Himmel strebten -, aber ich war erleichtert bei dem Gedanken an Colleges und Bibliotheken und heilfroh über die Aussicht auf einen warmen Platz, an dem ich meine müden, wundgescheuerten und von Blasen übersäten Füße ausruhen konnte.
    Jetzt schritt ich eilig voran, und am südlichen Tor angekommen, reihte ich mich in einen Pilgerzug von Arbeitern ein. Doch meine gute Stimmung verwandelte sich schnell in Verzweiflung.
    »Solche wie du haben hier nichts zu suchen«, knurrte der kleinere der beiden Torwächter mich an. Seine Sprache verstand ich kaum, aber sein Gesichtsausdruck sagte alles. Sein Kollege starrte gleichgültig über meinen Kopf hinweg auf die ungeduldig drängende Menschenschlange hinter mir.
    Mein gelber Kittel hing schmutzig und in Fetzen an mir herunter, und meine Haut war mit Wunden und Abschürfungen übersät Wahrscheinlich sah ich aus wie einer, der schon halb der Pest zurr Opfer gefallen war.
    Ich schlug mein kleines Buch auf und hoffte, ihnen so zu zeigen, dass ich lesen und schreiben konnte - in einer Universitätsstadt gewiss eine geschätzte Fähigkeit -, aber sie waren nicht beeindruckt.
    »Mach, dass du fortkommst!«, sagte der ruppigere der beiden Wächter. »Und zwar schleunigst. Sonst werfe ich dich eigenhändig ins Gefängnis!«
    Er stieß mich grob zurück, ich taumelte gegen einen Karren, der dicht hinter mir zum Stehen gekommen war und fiel in einen Dreckpfuhl neben der Straße. Ein Maulesel schrie, und es hörte sich an wie hämisches Gelächter. In meinen Augen brannten Tränen der Demütigung.
    Mühsam rappelte ich mich auf und wischte mir den Morast von meinen Lumpen. Zu viele Hindernisse hatte ich schon überwunden, als dass ich mich so leicht hätte wegschicken lassen. Während die Wächter die anderen Reisenden abfertigten und ihre Ladungen und Wagen kontrollierten, versteckte ich mich auf einem Karren voll zeternder Hühner und stahl mich auf diese Weise in die Stadt.
    Theodoric aber musste beim Stadttor mein Buch gesehen haben. Er folgte mir in sicherem Abstand und wartete auf seine Gelegenheit, wartete, bis mich das Fieber gepackt hatte, bis es schwarz um mich wurde und ich auf der schmutzigen Straße zusammenbrach.

    Als ich aufwachte, saß Theodoric neben mir. Er betrachtete neugierig mein kleines Buch und wunderte sich, warum die Schließen sich nicht öffnen ließen - nicht einmal von ihm. Dann merkte er, dass ich ihm zwischen Schlafen und Wachen entgegensah, und begrüßte mich mit breitem Grinsen in der Welt der Lebenden.
    In dem lang gestreckten Krankenraum, in dem wir uns befanden, waren längs der Wände Betten mit Strohmatratzen aufgestellt. Ich war der einzige Patient.
    Strahlend helles Licht fiel durch die mit Wein umrankten Fenster herein, durch die ich in einen Garten sehen konnte. An den Schmalseiten des Raums standen Truhen und Schränke.
    Es war ein heißer Nachmittag, und überall summte und
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