Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Autoren: Matthew Skelton
Vom Netzwerk:
anderen ich. Er würde dafür sorgen, dass niemand den Büchern zu nahe käme.
    Ab und zu kam der alte Bibliothekar Ignatius in den Krankenraum. Halb verborgen unter seiner schwarzen Kapuze tat er, als wolle er nach den Heilkräutern sehen, die er in einem Medizinbuch aufbewahrte. Aber sobald er an mir vorüberging, spürte ich seine Blicke auf mir. Es war, als ob er die Eigenschaft der Drachenhaut in der Truhe ahnen konnte. Ständig war er damit beschäftigt, in seinem persönlichen Tagebuch herumzukritzeln, dabei murmelte er vor sich hin und ließ seine Finger wie Spinnen über die Zeilen huschen.
    Traurig begriff ich allmählich, dass es nirgendwo ein sicheres Versteck für das Buch geben würde, auch nicht in Oxford. Immer waren da Menschen wie Fust oder Ignatius, die nach dem Wissen gierten, das in ihm verborgen lag. Zu groß war die Versuchung, als dass ihr jemand hätte widerstehen können — sie zog das Böse an wie ein Magnet. Der Fluch von Adam und Eva lebte in allen Menschen fort.
    Unwissentlich kam der Abt mir in meiner Notlage entgegen. Bücher waren ein wertvolles Gut in Oxford - Gelehrte widmeten ihnen ihr Leben, und die Stadt wimmelte von Buchbindern, Papiermachern und Schreibwarenhändlern, die alle in der Nähe der Kirche St. Mary the Virgin Handschriften kopierten. Der Abt lud mich ein, auch nach meiner Genesung in St.Jerome's zu bleiben. Er war beeindruckt von meiner Lese- und Schreibfähigkeit und zeigte mir gern die Arbeitsweise der College-Schreiber.
    Schon seit Jahren kopierten sie eine Bibelübersetzung, die ihrem Schutzpatron Jerome zugeschrieben wurde. Es war ein Werk der Liebe: ein Buch in wunderschöner Schrift, voll mit Illustrationen aus dem Leben der Heiligen. Bes( nders Theodoric war ein begnadeter Buchmaler. Wenn er nicht gerade Spottbilder von den anderen Mönchen zeichnete und sie als Füchse oder Fratzengestalten auf den Seitenrändern der Handschrift darstellte, erschuf er eine Welt voller Heiliger und Engel.
    Langsam fing ich an, ihm auf meine Art die Grundlagen des Druckens beizubringen. Mir fehlte das Können und die Ausstattung meines Meisters, deshalb musste ich primitivere Methoden anwenden. Ich schnitzte Buchstaben aus Weidenholz, das wir am Fluss fanden, und ritzte meine Erklärungen mit einem Stöckchen in eine Wachstafel. Theodoric begriff erstaunlich schnell, und es dauerte nicht lange, da bezog er manche Neuerung in seine Arbeit ein.
    Einmal druckte er ein großes, aus Holz geschnitztes O auf das Pergament, das er gerade bemalte, und zeichnete ein prachtvolles Bild von uns beiden hinein: Ich saß wie eine kleine gelbe Marionette auf seinem Schoß und sagte ihm etwas ins Ohr. Ignatius nannte das Bild abscheulich, eine Ungeheuerlichkeit, und verwahrte sich dagegen, aber der Abt ließ es gelten und betonte, dass ich als neues Mitglied des Ordens willkommen sei.
    Wenn Ignatius mich mit Argwohn und Feindseligkeit betrachtete, so war Theodoric mein Retter, mein Beschützer und Freund. Vor allem seine Liebe zum Leben war es, die mich gesund pflegte.

    Aus den Tagen wurden Wochen, und aus den Wochen Monate. Die Bäume auf den Hügeln in der Ferne verloren allmählich ihre Farbe, und kalte Nebelschwaden setzten sich hier und da in der Landschaft fest. Der Winter kam näher.
    Immer noch dachte ich sehnsuchtsvoll an Mainz und alles, was ich dort zurückgelassen hatte, aber allmählich richtete ich mich in meinem neuen Leben in Oxford ein. Die Anordnung der Straßen hatte ich mir schnell eingeprägt. Es war nicht verwunderlich, dass viele Gelehrte ihre Zeit in Wirtshäusern verbrachten - wie damals auch William -, weil ihre Unterkünfte meistens allzu schmutzig und verkommen waren. Swyndelstock und Bear waren die beliebtesten, und ich floh oft in ihre warmen bierseligen Räumlichkeiten vor Ignatius, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, hinter mir her zu spionieren. In den Schankstuben kursierten dunkle Gerüchte, und ich kam langsam zu der Vermutung, dass die Gelehrten hier viel mehr erfuhren als an ihren Schulen.
    Meine Ausflüge trugen allerdings kaum dazu bei, Ignatius' Verdächtigungen zu zerstreuen. Vom Kontinent kam die Nachricht einer Schwarzen Kunst: eine Methode, mit der sich durch künstliche Schrift spiegelbildliche Abschriften von Büchern herstellen ließen. Es war nicht mehr als ein Raunen, aber Ignatius glaubte, ich besäße den Schlüssel zu diesen Geheimnissen. Er war begierig, mehr zu erfahren. Oft wachte er sogar nachts neben meinem Bett, sein blindes Auge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher