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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Autoren: Matthew Skelton
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rollte in der Höhle, sein gesundes Auge suchte die Wahrheit -eine Wahrheit, die er nie erfuhr. Ich hatte mir angewöhnt, das Drachenhautbuch wieder auf meinem Rücken zu tragen und das Büchlein in der Werkzeugtasche unter meinem Gürtel, um so ihr Geheimnis immer in Sicherheit zu wissen.
    Ich musste einen besseren Aufbewahrungsort finden - und zwar schnell.

    Die Lösung fand ich an einem frostig kalten Dezembermorgen.
    Theodoric war ins Kongregationshaus in der Stadt gerufen worden, wo über die Eignung dreier junger Novizen, die mit ihrem Studium begonnen hatten, beraten werden sollte.
    Während er sich mit den Amtspersonen der Universität in einem kleinen gemauerten Raum neben der Kirche St. Mary the Virgin traf, konnte ich unbeobachtet durch die darüber liegende Alte Bibliothek streifen. Es war ein lang gestreckter rechteckiger Raum, in dem schwarz gewandete Gelehrte sich über dunkle Stehpulte beugten und in ihren Büchern studierten. Sie bewegten dabei flüsternd die Lippen, so dass das aufgeregte Rascheln des Drachenhautbuchs auf meinem Rücken zum Glück nicht auffiel.
    Am anderen Ende der Bibliothek, unter einem Bogenfenster mit Blick auf das kürzlich entstandene Fundament des All Souls Colleges, stand eine riesenhafte Truhe. Sie war länger als ich groß war und mit starken Metallstäben gesichert wie eine eiserne Jungfer. Ein Bibliothekar erklärte mir, kein Lebender könne sie aufbrechen. Die fünf Schlüssel für die fünf Schlösser würden von fünf verschiedenen Personen aufbewahrt. In der Truhe befänden sich unersetzliche Dokumente, auf denen die Gründung der Universität festgehalten war, außerdem etliche Bücher aus dem Besitz von Studenten, die sich das Studium nicht mehr leisten konnten. Sie mussten ihre Schulden in Büchern begleichen - Bücher waren in Oxford so wertvoll wie Gold.
    Einen Augenblick dachte ich daran, das Buch aus Drachenhaut in dieser Truhe zu verstecken. Konnte es einen besseren Ort geben als eine bewachte Truhe in einer berühmten Bibliothek? Aber die Schlösser würden sich unmöglich ohne fremde Hilfe aufbrechen lassen, und der bärtige Bibliothekar musterte mich schon argwöhnisch. Dazu kam, dass mich das magische Papier in eine ganz andere Richtung zog.
    Ungefähr hundert Schritte von der Alten Bibliothek entfernt war ein weiteres Bauwerk, ein nicht ganz fertiges, mit Leitern und Holzplanken eingerüstetes Gebäude. Hier arbeiteten Maurer seit fast drei Jahrzehnten an einer prachtvollen Unterkunft für die Büchersammlung, die Sir Humfrey, der Herzog von Gloucester, der Universität vermacht hatte. Das musste die neue Bibliothek sein, von der William damals im Kleinen Lamm gesprochen hatte. Die Bibliothek, die der von Alexandria ebenbürtig sein würde.
    Der Augenblick schien gekommen. Voller Freude lief ich zu dem fertigen Bauwerk hinüber. Das Ziel meiner Reise war zum Greifen nah.
    Aber als ich mich dann umsah, fand ich, dass dies kaum ein angemessener Aufbewahrungsort für Bücher war. Arbeiter kletterten emsig wie Ameisen über die Gerüste, und die hohen Säulen trugen keine andere Decke als den freien Himmel. Um die Feuchtigkeit abzuhalten, hatte man Stroh auf den Boden und vor die Wände gestapelt. Der richtige Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Wir würden warten müssen, das Buch und ich.
    Entmutigt blieb ich draußen auf dem kalten, trostlosen Platz stehen. Steinmetze bearbeiteten die massiven Steinplatten, die man neben der Bibliothek abgeladen hatte, und meißelten ganze Wälder aus Blättern und Blumen in die Oberfläche. In der kalten Winterluft hingen Schwaden von Steinstaub. Ich blinzelte meine Enttäuschung weg und sah hinauf zum einsamen Turm von St. Mary the Virgin. Die Kirche konnte sich kein bisschen mit dem großartigen Dom messen, den ich von Mainz kannte. Wieder einmal fühlte ich mich leer und allein.
    Eine Weile ging ich zwischen den beiden Bibliotheken, der alten und der neuen, unschlüssig hin und her. War meine ganze Anstrengung umsonst gewesen? Um mich herum herrschte geschäftiges Treiben. Von Süden her kamen die wetteifernden Rufe der Händler und Straßenverkäufer, und durch die Gassen im Westen, wo das Schlachthaus war, gellten qualvolle Tierschreie. Gesalzener Fisch lag in Haufen auf den Tischen der Marktstände, Fleischstücke baumelten in den Verschlägen der Metzger, und die auf Schnüren aufgereihten Innereien waren quer über die Straßen gespannt. In den nahen Buchbindereien gingen Schreiber ein und aus, um ihre Vorräte
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