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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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bezahlt, aber was der mit mir gemacht hat, das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht. Scheiße!«
    »Mit was habt ihr denn gedealt?«, fragte ich.
    »Gedealt? Scheiß Aktien! Todsichere Tipps! Dreck. Wär ich mal auf die Rennbahn gegangen.«
    »He, Mann, Sie können doch nicht Ihren Anlageberater umlegen, nur weil es einen Börsencrash gegeben hat!«
    »Kann ich nicht? Wie säh die Welt aus, wenn alle, die von diesen Typen verarscht worden sind, das tun würden? Besser oder schlechter?«
    Ich antwortete vorsichtshalber nicht.
    »Außerdem hab ich es ja gar nicht getan«, setzte er beleidigt hinzu.
    »Wer war es dann?«
    »›Il Tuffo‹, wahrscheinlich«, sagte er und stieß ein schnaubendes Lachen aus.
    »›Il Tuffo‹? Wer soll denn das sein?«
    »Keine Ahnung. Aber der Name stand auf der Schreibtischplatte. In Blut.«
    »In Blut? Sie meinen, mit dem Blut des Toten geschrieben?«
    »Was weiß ich, vielleicht hat da ja noch jemand geblutet, da musst du schon die Bullen fragen. Mit dem Loch im Kopf hat er es zumindest nicht mehr selbst geschrieben. Ich hatte auch keine Zeit, darüber nachzudenken.«
    »Wie wären Sie denn eigentlich da weggekommen, wenn ich nicht zufällig vor der Tür gestanden hätte?«
    »Ich hätt’ mir einfach ‘ne Droschke genommen. Schließlich hatte ich nicht vor, so schnell abhauen zu müssen. Ich dachte, ich erledige ihn, verwisch meine Spuren und geh dann gemütlich ‘n Alt trinken. Außerdem glaub ich dir noch lange nicht, dass du nur zufällig da warst, Schwachkopf. Wer bezahlt dich?«
    Ich sah geradeaus und schwieg.
    »Das krieg ich schon noch aus dir raus«, sagte er und zündete sich eine neue Zigarette an. »Keine Angst, ich asch aus dem Fenster.«
    »Sehr liebenswürdig«, sagte ich.
    Wieder gönnte er mir ein paar Minuten Ruhe, bis kurz vor Leverkusen-West eine Baustelle auftauchte, die den Verkehr fast zum Stehen brachte.
    Er grinste mich an und hielt seine Pistole hoch. »Das sind jetzt aber keine hundertvierzig mehr. Wenn ich dir jetzt die Klötze wegschieße, gibt’s höchstens Blechschaden. Also: Wer bezahlt dich?«
    »Sie werden’s nicht glauben.«
    »Na, dann kannstes ja auch sagen.«
    »Cornelia Freifrau zu Spee-Lörickendorff«, sagte ich. »Mit zwei f.«
    »Willst du mich verarschen?«
    »Ich sagte doch, dass Sie’s nicht glauben werden.«
    Es war die verdammte Wahrheit, und ich war kein bisschen stolz darauf.
    Ich hatte sie nicht gesehen etwa seit dem Tag, an dem sie zum zweiten Mal geheiratet hatte. Jetzt trug sie stolz ihren dritten, sogar adligen Namen und hatte außerdem einen Liebhaber: Doktor Tokohiro, Japaner. Und vorletzte Woche hatte sie auf einmal ein Gefühl entwickelt.
    Nicht, dass es Missverständnisse gibt: Ich bin kein jämmerlicher, kleiner Pflastertreter, der es nötig hat, jedem Fünfziger nachzuhecheln, um dafür irgendwelchen johannisgetriebenen alten Säcken hinterherzuschnüffeln. Ich bin Profi. Ich schlage Menschen mit der Faust. Manchmal schieße ich sogar für Geld. Und genau das habe ich ihr gesagt. Genützt hat es nichts.
    »Bitte, Jo! Ich habe dich doch noch nie um einen Gefallen gebeten …«
    Das Hinterhältige daran war: Es stimmte, sie hatte nie. Aber sie hatte auch noch nie einen Detektiv gebraucht.
    Leider gehörte Cornelia zu den sehr wenigen Menschen, denen ich etwas schuldete. Sie hatte mich das Einzige gelehrt, das mir wirklich etwas bedeutete. Zwar hatten wir auch ein Verhältnis gehabt, ein kurzes, heftiges; das war, als sie noch auf jüngere Männer stand – aber für mich war sie vor allem eins: meine Harfelehrerin.
    Seit ihren Erfahrungen mit ihrem ersten Ehemann, einem hübschen Squashprofi aus gutem Haus, der leider keinen Satz unfallfrei zu Ende bringen konnte, tendierte sie mehr zu reiferen Männern. Tokohiro war schon Mitte sechzig, mehr als zwanzig Jahre älter als sie.
    »Er ist nicht mehr der Mann, den ich kennen gelernt habe. Etwas bedrückt ihn. Er bekommt seltsame Anrufe. Er ist nachts oft nicht zu erreichen, ich weiß nicht, was er dann macht. Er erzählt mir nichts. Ich glaube nicht, dass es mit seiner Arbeit zusammenhängt, aber seit zwei Wochen ist er so … anders.«
    Mein Vorschlag, dass er möglicherweise Damenbekanntschaften suche, wurde zurückgewiesen.
    »Tokohiro ist ein Gentleman. Wie du, Jo.«
    Ich bekam den Job.
    Tokohiro arbeitete in einem der Glasbürokästen des IHZ . Leider war es derselbe Kasten, in dem Egon Wolter seine Rachephantasien wahr werden lassen wollte, und so hatte ich jetzt
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