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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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Kant«, sagte er. »Aber bleiben Sie in der Stadt.«
    * * *
    Ich schloss die Tür auf. In der Diele streifte ich gähnend die Artioli-Schuhe von den Füßen und deponierte sie in meinem Mahagoni-Schuhschrank. Ich durchquerte den Wohnraum; in der Küche warf ich zwei Aspirin in ein Glas Wasser und ging damit zurück. An meiner Bar füllte ich ein anderes Glas mit dem achtzehn Jahre alten Calvados, den mir ein dankbarer Klient vor zwei Wochen als Sonderbonus überreicht hatte. Ich kippte das Aspirin in mich hinein, sobald es sich aufgelöst hatte, und spülte mit Perrier nach. Dann roch ich an dem Apfelbrand und ließ ihn zärtlich meine Stirnhöhle kitzeln. Ich nahm einen kleinen Schluck und schlenderte zum Anrufbeantworter, der auf dem kleinen Flötotto-Regal neben der Wendeltreppe zum Büro stand. Fünf neue Nachrichten. Dreimal die Nummer der Freifrau, ein Anruf kam aus Frankfurt, der fünfte von einer anonymen Nummer. Ich nahm ich einen zweiten, größeren Schluck und drückte die Abspieltaste.
    Cornelia Freifrau zu Spee-Lörickendorff teilte mir mit tränenerstickter Stimme mit, dass mein Verdacht wohl doch nicht so grundlos gewesen sei, wie sie geglaubt hatte; sie sei mittlerweile zweifelsfrei sicher, dass Tokohiro sie mit einem Schulmädchen betrüge. Welche Beweise sie gefunden hatte, verschwieg sie mir diskret.
    Ich nahm noch einen Schluck und freute mich auf die nächste Nachricht. Es war Wolter.
    »Hier ist Siewissenschon. Meine Freunde hier haben mich hängen lassen. Ich brauche Ihre Hilfe. Ich zahle Ihren Satz … irgendwie. Sie hören von mir.«
    Der Anruf war um halb neun gekommen, etwa zu dem Zeitpunkt, als ich Fahrenbachs Büro betreten hatte. Ich drückte die Rücklauftaste und hörte die Nachricht ein zweites und drittes Mal ab. Wolter klang nervös, gehetzt fast. Die Hintergrundgeräusche ließen auf ein Telefon in einer Hotelhalle schließen. Ich war nicht überrascht. Wer kann sich schon auf seine Freunde verlassen, wenn er auf einmal überraschend vorbeigeschneit kommt mit der Bitte, ihn vor den Bullen zu verstecken, weil die ihn dummerweise wegen Mordes suchen?
    Ich war mir keineswegs sicher, was zu tun war. Von Rechts wegen musste ich sofort Fahrenbach informieren. Von Rechts wegen. Meine Überlegungen wurden von der letzten Nachricht unterbrochen.
    »Wolter hat keine Chance, und du auch nicht, wenn du dummes Zeug redest«, sagte eine Stimme, die klang, als sei sie elektronisch erzeugt. Das war alles. Ich hörte auch diese Aufnahme mehrfach an, aber sie gab nichts weiter her als die Gewissheit, dass Wolter unschuldig war. Der Anruf war gekommen wenige Minuten bevor ich die Wohnung betreten hatte.
    Ich ging zum CD -Spieler und legte Ulla van Daelens »Surprise« ein. Dann holte ich die Flasche Calvados aus der Bar, ließ mich ins Sofa sinken, platzierte die Füße auf dem Acryltisch und zog das Telefon zu mir heran. Die Harfe perlte aus den Lautsprechern und bewies einmal mehr, wie gewaltig der Unterschied zwischen Schönheit und Kitsch ist. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen hinauf, die hinter dem Atelierfenster in der Dachschräge hoch über mir funkelten. Gemeinsam warteten der Calvados und ich auf den nächsten Anruf.
    Er kam von der Freifrau. Ich ließ den Anrufbeantworter anspringen, aber sie sprach nicht drauf. Ich suchte nach einer möglichst bequemen Position, das Rolf-Benz-Sofa gab mir die Qual der Wahl.
    Ich begann gerade ein wenig einzuduseln, als das Telefon erneut Laut gab. Die angezeigte Nummer war aus Düsseldorf, mir aber unbekannt.
    Ich nahm ab.
    Am anderen Ende herrschte Schweigen, untermalt von nervösem Atmen.
    »Nur Mut«, sagte ich.
    »Herr Kant?«, fragte eine unsichere Frauenstimme. »Jo Kant?«
    »Genau der. Frau Wolter?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Tut nichts zur Sache. Wir sollten es kurz machen. Wo sind Sie?«
    Sie zögerte. »Zu Hause.«
    »Wo ist das?«
    »In Benrath.«
    Ich sah kurz zur Uhr. »Kommen Sie ins ›Mühlhaus‹. In dreißig Minuten«, sagte ich und legte auf.
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