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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Abend Harrys Waffe gesteckt hatte. Verdammt, die hatte er im Trierer Präsidium gelassen. Er hastete durch den Mittelgang zwischen den Tischen. Die meisten Gäste beachteten ihn nicht. Von Sieblich keine Spur. Ein Kellner mit mehreren dampfenden Speisen auf dem Arm kam durch eine Schwingtür. Walde hielt ihm seine Dienstmarke und ein Bild von Sieblich entgegen: »Haben Sie diesen Mann hier reinkommen sehen?«
    Der Ober schüttelte den Kopf und versuchte, an Walde vorbei zu kommen.
    »Gibt es noch einen weiteren Raum?« Walde verstellte ihm den Weg.
    »Eine Toilette am anderen Ende, kann ich jetzt durch?«
    Walde lief durch den Gang zwischen den Tischen zurück. Die Unterhaltungen waren verstummt. Alle starrten ihn an.
    »Ist hier gerade ein Mann durchgekommen?«, rief er zwei Frauen am letzten Tisch vor der Tür zur Toilette zu. Die beiden reagierten nicht und starrten ihn nur verständnislos an.
    Walde stürmte in den kleinen Vorraum, von dem links und rechts eine Tür abging. Links die zum Damenklo war verschlossen, rechts war offen. Die Toilette war leer. Walde pochte gegen die verschlossene Tür: »Aufmachen, Polizei.«
    Eine Klospülung wurde gedrückt.
    Er klopfte wieder.
    »Was wollen Sie?«, die Tür wurde nach innen aufgezogen und eine ärgerlich blickende Frau zwängte sich durch die Tür.
    Jetzt fiel Walde der Vorhang am Ende des winzigen Flurs auf. Dahinter führte eine Tür zum Vorschiff. Walde stolperte die Stufen hinunter. Er schaute hinter zwei große Holzkisten, dann fiel ihm das flussabwärts treibende Ruderboot auf. Scheiße!
    Walde spurtete zurück durch das Restaurant, die Reling hinunter zum Fahrrad. Als er das Boot wieder im Blick hatte, rief er, immer wieder Schlaglöchern ausweichend, Staatsanwalt Roth an und gab ihm seine Position durch. Die Saar war nicht sehr breit. Er kam schnell näher. Das Boot hatte keine Ruder und trieb führerlos in der Strömung.
    *
    Sieblich beobachtete den Radfahrer, der jetzt auf gleicher Höhe neben ihm fuhr. Er glaubte in ihm einen der Zivilpolizisten wiederzuerkennen, die am Nachmittag in die Klinik eingedrungen waren. Sieblich hatte keine Chance mehr. Seine Freiheit würde noch so lange dauern, bis das Boot an Land trieb oder die Polizei es aufhielt. Vor ihm tauchten gewaltige Brückenpfeiler auf. Zuerst glaubte er noch, das Boot treibe dicht daran vorbei, als es im letzten Moment auf Kollisionskurs ging. Der Aufprall war so heftig, dass Sieblichs Hände von der Bank, an die er sich zu klammern versuchte, gerissen wurden. Er stürzte kopfüber in den Fluss und schluckte eine gehörige Portion Saarwasser. Hustend kam er an die Oberfläche, prallte mit der Schulter gegen den Pfeiler und schrammte mehrere Meter an ihm entlang. Seine nasse Kleidung zerrte ihn nach unten. Mit äußerster Anstrengung hielt er sich über Wasser. Er versuchte, das Sakko abzustreifen, das so schwer wog, als wäre es mit Sand gefüllt. Er bekam den rechten Arm frei. Jetzt lastete das ganze Gewicht auf seiner linken Schulter, die dermaßen schmerzte, dass er den Arm kaum mehr bewegen konnte. Er trieb unter der dunklen Brücke hervor ins Licht der Abenddämmerung.
    *
    Walde hatte Sieblichs Kollision beobachtet. Er sprang vom Rad und wählte die Notrufnummer der Feuerwehr. Weiter flussabwärts gehend, kam Sieblich wieder in sein Blickfeld. Er kämpfte offensichtlich um sein Leben. Waldes Gedanken rasten. Sollte er ihm zu Hilfe kommen? Er entschied sich, abzuwarten. So lange Sieblich über Wasser blieb und nicht um Hilfe rief, wollte er am Ufer bleiben.
    *
    Den linken Arm konnte er nicht mehr bewegen. Sieblich drehte sich auf den Rücken und streckte den Kopf nach hinten, um den Mund über Wasser zu halten. Er strampelte nach Leibeskräften. Lange würde es nicht mehr gehen. War das Ufer näher gekommen? Er hatte beim Sturz seine Brille verloren. Nur verschwommen nahm er eine Gestalt am Ufer wahr.
    Walde hatte nicht bemerkt, woher der zweite Mann kam, der jetzt mit kräftigen Stößen auf Sieblich zu schwamm. Er musste von der Brücke gesprungen sein. Mit geübtem Griff fasste der Retter Sieblich von hinten unter das Kinn und half ihm die letzten Meter bis zum Ufer. Dort zog Walde gemeinsam mit dem Helfer Sieblich aus dem Wasser. Fast zeitgleich traf die Feuerwehr ein.
    *
    Um zwei Uhr in der Nacht machte sich Walde zu Fuß auf den Heimweg. Am Hauptmarkt schimmerte schwaches Licht hinter den Scheiben der Gerüchteküche. Morgen war Sonntag, keine Tageszeitung erschien, Uli ließ es sich
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