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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel
Autoren: Mischa Martini
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nickte.
    *
    Der sonst so besonnene Anästhesist Dr. Singh hatte vollkommen panisch auf die Polizeiaktion in der Klinik reagiert. Noch stundenlang danach war er zu keiner vernünftigen Handlung fähig gewesen. Professor Sieblich wollte nicht riskieren, dass er der Polizei in die Arme lief. Bis ins nahe französische Forbach wollte er ihn begleiten, dort sollten sich ihre Wege trennen. Zum Glück hatten sie ab Trier nicht mehr im gleichen Zugabteil gesessen.
    Eberhard Sieblich reagierte auf die Invasion der Polizei im Waggon äußerlich vollkommen gelassen. Er gelangte weitgehend unbehelligt aus dem Bahnhofsgebäude. Auf dem Vorplatz standen Taxis. Sie waren von Polizeiwagen eingekeilt. Als der Hubschrauber landete, blieb er bei einer Gruppe Schaulustiger stehen. Erst als die Insassen im Laufschritt im Bahnhof verschwanden, ging er in gemäßigtem Schritt in Richtung Innenstadt.
    Langsam wurde ihm bewusst, in welcher Situation er sich befand. Mit einem solchen Polizeiaufgebot hatte er nicht gerechnet.
    Wollten sie ihm die fünf Toten in der Populis anlasten?
    Er musste raus aus Deutschland. Es gab genügend Länder auf der Erde, die ihm keine Steine in Form von Transplantationsgesetzen in den Weg legten.
    Auf der anderen Seite der St.-Johanner-Straße folgte er der Reichsstraße. Er erinnerte sich daran, vor Jahren einmal hier die Ärztekammer besucht zu haben.
    Es wurde dunkel. Die Geschäfte waren geschlossen, nur wenige Fußgänger begegneten ihm auf den Straßen. Von weiter vorn kam ein Streifenwagen auf ihn zu. Sieblich kauerte sich hinter ein am Straßenrand geparktes Auto und fummelte so lange an seinen Schnürsenkeln bis die Polizisten außer Sichtweite waren. Suchten Sie ihn noch, oder nahm die Polizei an, er sei nicht im Zug gewesen? Hatte Singh ihn schon verraten?
    Er musste irgendwo untertauchen. In einer Kneipe, Kino oder Hotel, notfalls konnte es auch ein Bordell sein. Runter von der Straße und die Gedanken sammeln.
    Welch eine entwürdigende Situation!
    Er überquerte den leeren Parkplatz an der Kongresshalle. Dahinter schloss sich ein Park an. Er sah die Reklame eines großen Hotels. Ein tütenbepackter Stadtstreicher kam ihm entgegen.
    In der letzten Nacht war es in Steineroth sehr kühl gewesen. Eine Übernachtung im Freien würde sicher sehr ungemütlich werden. Der Weg führte zum Saarufer. Auf der nahen Brücke und auf der anderen Seite des Flusses zog ein steter Strom von Autoscheinwerfern vorbei. Er blieb auf dem Uferweg, beim nächsten Übergang würde er auf die andere Seite wechseln.
    *
    Ein paar Mal wurde Walde auf der Viktoriastraße so dicht überholt, dass er am liebsten mit dem Fuß gegen das Blech der Wagen getreten hätte.
    Er wechselte auf den Bürgersteig. Ihm war klar, dass er die Nadel im Heuhaufen suchte. Mit dem Rad konnte er sich hier weit diskreter bewegen, als das mit einem Streifenwagen der Fall gewesen wäre. Wenn jemand vor ihm auftauchte, auf den Sieblichs Beschreibung im weitesten Sinne passte, rief er jedes Mal laut: »Eberhard!«
    Er fuhr die Viktoria-, Kaiser-, Trierer- und Bahnhofstraße ab. Dann versuchte er es in den Seitenstraßen. Hier gab es viele Möglichkeiten, sich in Kinos, Restaurants oder Kneipen zurückzuziehen. Er stoppte vor den Auslagen einer großen Buchhandlung und rief Staatsanwalt Roth an: »Gibt’s was Neues?«
    »Nein, ich bin auf dem Weg zum Saarbrücker Präsidium, wo sind Sie?«
    »Irgendwo in der City«, antwortete Walde. »Wir sollten im Umkreis vom Bahnhof auch alle Kneipen, Restaurants und Kinos kontrollieren.«
    »Das wird bereits getan. Wenn wir ihn nicht bald finden, können wir die Sache vergessen.« Roth klang skeptisch.
    »Okay«, Walde schwang sich wieder aufs Rad. Am Ende der Dudweiler Straße entschied er sich, nicht über die Saarbrücke zu fahren. Er fuhr runter zur Berliner Promenade. Ein paar Leute mit Hunden reagierten irritiert auf Waldes Rufe. Er drehte um und fuhr saaraufwärts.
    In Höhe eines Stegs, der zu einem hell erleuchteten Boot führte, drehte sich ein Mann sofort um, als Walde ihn von hinten mit Eberhard anrief. Waldes Bremsen quietschten. Der Mann lief über den Steg zum Boot hinauf, das einen Gastronomiebetrieb beherbergte. Walde kam ein paar Meter hinter dem Steg zum Stehen, sprang vom Rad und lief zurück. Er hatte schon den Holzsteg erreicht, als das Rad scheppernd umfiel. Im Gastraum des Schiffes waren Tische entlang der Fenster angeordnet. Fast alle waren besetzt. Walde griff an seinen Gürtel, wo bis zum
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