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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Wagen.
    »Verdammt, Grabbe, hättest du dich nicht auch abschnallen können?«, Harry lag auf dem Beton neben dem Wrack.
    Der Turm des Panzers schwenkte um einhundertachtzig Grad. Das Schießrohr senkte sich. Harry fasste in sein Halfter. Es war leer.
    Das Rohr hatte ihn nun voll im Visier. Mit dem höllischen Schmerz in seinem Bein war an Flucht nicht zu denken.
    »Dann drück’ doch ab«, schrie Harry dem Panzer entgegen.
    Harry schaute direkt in die Schwärze des Rohrs, aus der jeden Moment eine Granate mit einer solchen Geschwindigkeit geschleudert werden konnte, dass er ihre Explosion nicht mehr hören würde.
    Die Sekunden verstrichen.
    Harry schrie: »Mach’ Schluss, du Drecksack.«
    Der Deckel des Panzers öffnete sich. Eine mit roten Strähnen verklebte Glatze kam zum Vorschein. Der Motor heulte auf, dann rasselten die Ketten los. Ganz langsam änderte das Gefährt seinen Kurs und rollte Zentimeter um Zentimeter auf ihn zu.
    Harry schrie die Spannung, das Entsetzen, das Leben aus sich heraus.
    Den Knall hielt er für eine Fehlzündung.
    Die Glatze verschwand. Der Deckel blieb offen. Die Ketten rasselten näher.
    Die Hölle brach in seinem Bein los. Er schrie wie am Spieß, als er von hinten an den Armen gepackt und über den Beton geschleift wurde.
    Das Gefährt rasselte dicht an ihm vorbei und mahlte sich an der Wand des Bunkers fest.
    »Grabbe, schalt’ den Panzer aus!«, eine Ohnmacht erlöste Harry von seinen Schmerzen.
    *
    Der Helikopter schnellte mit so viel Tempo in die Höhe, dass Waldes Eingeweide brutal nach unten geschleudert wurden. Walde und Gabi legten die Gurte an und setzten die Helme auf. Obwohl gerade erst die Tür aufgestanden hatte, war die Luft im Flieger stickig und warm. Walde fasste sich an den Bauch. Seine Hand wurde von einer anderen, ziemlich feuchten ergriffen und so fest gedrückt, dass er einen Moment mehr um seine Mittelhandknochen fürchtete als um seine schmerzenden Eingeweide.
    Vor den Fenstern tat sich ein riesiger Abgrund auf. Walde schloss die Augen, um nicht dem Schwindelgefühl zu erliegen. Nach wenigen Sekunden öffnete er sie wieder. Unten verloren sich die blauen Dächer und roten Mauern von Steineroth in einer grünen Landschaft aus Wald und Ackerflächen.
    »Das ist das erste Mal«, schrie Gabi in sein Ohr.
    »Gabi, du hast ein Mikrofon vor dem Mund, wir haben alle Kopfhörer in unseren Helmen und können uns sehr gut verständigen«, Walde machte eine Pause, damit Gabi es kapierte, »ohne zu schreien.«
    »Hab’ verstanden«, Gabi hob den Daumen und nickte.
    Ganze drei Sekunden schwieg sie, dann fragte sie in normaler Lautstärke: »Wo ist die Kotztüte … oder habt ihr vielleicht gleich zwei zur Hand?«
    Der Copilot fummelte hektisch herum.
    Gabis dreckiges Lachen tönte über die Kopfhörer »Jungs, guckt nicht so, es war nur ein Scherz. Ich kotz’ nur, wenn ich mit einem Jungen schwanger bin.«
    Pilot und Copilot ließen sich nichts anmerken.
    »Ich hab’ noch eine Frage, dann red’ ich nur noch, wenn ihr was von mir wissen wollt«, meldete sich Gabi wieder zu Wort.
    »Ja?«, die Stimme schien zum Copiloten zu gehören.
    »Was ist, wenn der Sprit ausgeht oder der Motor einfach nicht mehr will?«, fragte Gabi und fügte beschwichtigend hinzu. »Soll ja vorkommen.«
    »Ist mir auch schon untergekommen«, die Stimme kam eindeutig nicht vom Copiloten. »Zwar nicht im Heli, aber das proben wir einmal im Monat. Dann wird bei achttausend Fuß der Motor ausgeschaltet und wir trudeln runter. Wie du siehst, leben wir noch, Schwester.«
    Der Pilot war eine Frau.
    Gabis Finger entspannten sich. Sie drückte kurz Waldes Hand, bevor sie sie losließ, und murmelte: »Unterwäsche, Cabrio, über den Wolken Händchen gehalten.«
    »Der Rettungsflieger ist Richtung Koblenz unterwegs?«, fragte die Pilotin.
    »Wo könnten sie dann hin?«, fragte Walde.
    »Frankfurt, Köln, Düsseldorf und noch hundert kleinere Flugplätze stehen zur Auswahl.«
    »Warum reagiert der Pilot nicht auf die Funksprüche?«, wollte Walde wissen.
    »Keine Verbindung, irgendein Defekt. Er wird sich schon rausreden …«, die Pilotin unterbrach und zeigte dahin, wo ihre Ohren unter dem Helm steckten. Sie hörte eine Weile zu, dann sah Walde, dass sie etwas sagte, hören konnte er nichts.
    »Was stinkt hier so?«, fragte Gabi.
    »Scheint Kerosin zu sein«, vermutete Walde. »Soll ich ein Fenster aufmachen?«
    »Bloß nicht, das nächste Mal fliege ich mit einem Ballon«, stöhnte sie.
    »Sieh mal,
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