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Kalt ist der Abendhauch

Kalt ist der Abendhauch

Titel: Kalt ist der Abendhauch
Autoren: Ingrid Noll
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Ingrid Noll
    Kalt ist der Abendhauch

    Roman
    Die dreiundachtzigjährige Charlotte erwartet Besuch: Hugo, ihren Schwager, für den sie zeit ihres Lebens eine Schwäche hatte. Sollten sie doch noch einen romantischen Lebensabend miteinander verbringen können? Wird, was lange währt, endlich gut? Ingrid Nolls Heldin erzählt anrührend und tragikomisch zugleich von einer weitverzweigten Familie, die es in sich hat. Nicht zufällig ist Cora, die ihren Liebhaber einst in der Toskana unter den Terrazzofliesen verschwinden ließ, Charlottes Enkelin...
    Ingrid Noll Kalt ist der Abendhauch Roman
    Umschlagillustration: Sofonisba Anguissola Diogenes Verlag AG Zürich 1996 ISBN 3-257-06115-3 s&c by panuka

    Das Buch
    Die dreiundachtzigjährige Charlotte erwartet Besuch: Hugo, ihren Schwager, für den sie zeit ihres Lebens eine Schwäche hatte. Sollten sie doch noch einen romantischen Lebensabend miteinander verbringen können? Wird, was lange währt, endlich gut? Ingrid Nolls Heldin erzählt anrührend und tragikomisch zugleich von einer weitverzweigten Familie, die es in sich hat. Nicht zufällig ist Cora, die ihren Liebhaber einst in der Toskana unter den Terrazzofliesen verschwinden ließ, Charlottes Enkelin...
    »Eigenwilliger wurden Familienprobleme wohl noch nie gelöst.« Newmag, München
    Die Autorin
    INGRID NOLL, geboren 1935 in Shanghai, ist Mutter dreier inzwischen erwachsener Kinder, denen sie ihr Familienalbum Der Schweinepascha gewidmet hat. Mit Der Hahn ist tot, Die Häupter meiner Lieben und Die Apothekerin avancierte sie zu »Deutschlands erfolgreichster Krimi-Autorin« (Der Spiegel).
    Ingrid Noll
    Kalt ist der Abendhauch
    Roman
    Diogenes
    Umschlagillustration: Sofonisba Anguissola, >Portrait einer Greisin<, ca. 1620 (Ausschnitt)
    Für meine Mutter
    Alle Rechte Vorbehalten Copyright © 1996 Diogenes Verlag AG Zürich 1000/96/8/1 ISBN 3 257 06115 3
    Mein Enkel Felix wohnt in einem ehemaligen Friseurladen; das Schaufenster dekoriert er stets ein wenig, obschon es natürlich nichts mehr zu verkaufen gibt. Meine uralten schwarzen Schnürstiefel setzte er zum Beispiel in einen Vogelkäfig, ein rosa Korsett stopfte er mit Watte aus und legte es in einen Puppenwagen, einen mit Nägeln gespickten Stuhl beschmierte er mit Margarine, womit er angeblich gleich zwei berühmte Künstler ehren wollte.
    Lange Zeit vegetierte eine heruntergekommene Schaufensterpuppe in dieser Idylle, bis er sie leid wurde und alles neu gestaltete. Ich war versessen auf die Puppe.
    Seitdem lebe ich nicht mehr allein. Die Puppe sitzt in meinem Schaukelstuhl, trägt Kleider aus meiner Jugendzeit, eine Perücke aus den sechziger Jahren und streckt ihre dünnen Beine von sich wie ein Kind. Sie heißt Hulda; wenn ich den Stuhl ein wenig antippe, wiegt sie sich fast fünf Minuten lang und scheint Freude an diesem Rhythmus zu haben. Einsame alte Leute pflegen gern Selbstgespräche zu halten, mir ist ein Gegenüber lieber. Hulda ist eine aufmerksame Zuhörerin, eine gut erzogene Tochter, eine Freundin der feinen Art, die nicht klatscht und hetzt und sich an fremde Ehemänner heranmacht.
    Manchmal frage ich Hulda um Rat. Was sollen wir zum Beispiel heute essen? Hering in Tomatensoße, sagt Hulda, vielleicht ein Kartöffelchen dazu und fertig. Wir beide brauchen nicht mehr viel. Alte Leute sollen aber viel trinken, sagt der Arzt; totaler Quatsch, meint Hulda, hör nicht auf ihn! Dieser Mann weiß doch gar nicht, wie schwer es fällt, nachts noch einmal ins Bad zu tappen. Selbstverständlich ist mir Huldas Rat
    wichtiger als der anderer Leute, denn sie spricht mir stets aus dem Herzen. Ja, ja, ich weiß schon, was man von derlei Zwiegesprächen zu halten hat. Aber wem schade ich denn damit? Wer hört es schon, und wen interessiert's?
    Warum sagst du ausgerechnet Hulda zu ihr? will mein Enkel Felix wissen.
    Mein Bruder Albert hatte eine Puppe, die so hieß. Sie stammte von mir, und er liebte diese Puppe. Das war eine gefährliche Sache, denn er bekam zu Weihnachten stets Zinnsoldaten geschenkt. Albert haßte Soldaten. Ich hatte ihm Hulda abgetreten, damit wir heimlich Vater, Mutter, Kind spielen konnten.
    Albert war von uns sieben Geschwistern das sechste und ein Jahr jünger als ich. Zum Glück waren wir so viele, daß keiner Zeit fand, uns allzusehr mit Pädagogik zu belästigen. Erst als ich längst erwachsen war, verriet mir unser ältester Bruder Ernst Ludwig, daß man Alberts Puppenspiele gelegentlich beobachtet hatte und sich Sorgen machte, er
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