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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut
Autoren: Erich Schütz
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    Herbert Stengele lacht bitter. Die Untertöne klingen grell, er ist verzweifelt. Es ist ihm zum Kotzen zumute, er versteht die Welt nicht mehr. Er wollte immer nur ein Erfinder sein, nicht mehr; zugegeben, ein genialer Erfinder. Er wollte die Unendlichkeit des Weltalls erforschen, er wollte einen kleinen, aber wesentlichen Stein zur Lösung des Weltall-Puzzles hinzufügen. Doch jetzt dämmert ihm, dass er einen ganz anderen Weg gegangen ist. Er hat mit seiner Erfindung ein Fass geöffnet, das nun überschäumt. Plötzlich ist er im Visier sämtlicher Geheimdienste dieser Welt.
    Sein Herz rast. Er greift mit der rechten Hand an seine linke Brust und massiert sie kräftig, aber gemächlich, ganz betulich, als könne er seinen viel zu schnellen Herzrhythmus so verlangsamen. Er geht zum Fenster, reißt es auf, öffnet seinen Mund weit und schnappt gierig nach frischer Luft. Er zieht den kühlen Sauerstoff tief ein, dann überfällt ihn eine Angst, fast Panik. Er hört ein Rascheln in einem Busch vor seinem Reihenhaus, er blickt ins Dunkel, schnell schließt er das Fenster wieder.
    »Du wirst keine Ruhe mehr finden, bis deine Erfindung verkauft ist«, hatte ihn sein Kollege Matthias Kluge gewarnt, »deine Formel ist zu begehrt, sie kann – das wissen jetzt alle – den nächsten Krieg entscheiden.«
    Stengele fühlt sich in einer Falle. Er sitzt in den Nesseln, will es aber nicht hören, doch Matthias ist in Rage und poltert weiter. »Chinesen, Russen, Amerikaner – die werden uns nicht zusehen, wie wir in unserem Trödelladen dein angebliches Teleskop-Patent verramschen. Die wissen, was Sache ist, sie alle werden uns den Arsch aufreißen«, hatte Matthias ihn angebrüllt und die Tür mit der Drohung zugeknallt: »Ihr wisst doch gar nicht, wen ihr da am Hals habt und zu was die imstande sind!«
    Stengele geht eilig weg vom Fenster, zurück in den vermeintlich Schutz bietenden großen Wohnraum, bleibt vor seinem stählernen Schreibtisch stehen und blickt auf ein Modellteleskop. Es ist eine Abbildung des Hubble-Space-Teleskops, ein Teleskop, das die US-Regierung seit Jahren im Weltall kreisen lässt. Der Vorteil: Im All gibt es keine störenden Luftbewegungen, keine lästigen elektromagnetischen Wellenlängen und auch keine fremden Lichteinwirkungen auf das Teleskopauge. Deshalb schafft das Hubble-Teleskop Bilder, die die Welt noch nie gesehen hat.
    »Pah«, entfährt es Herbert Stengele und er greift sich unkontrolliert in seine schwarze Mähne, die wirr von seinem kantigen Kopf absteht. Am liebsten hätte er das Modell zwischen seinen großen Pranken zermalmt und zum Fenster hinausgeworfen.
    Dabei war er als junger Student ein glühender Anhänger des US-Astronomen Edwin Hubble, dem Vater des größten Teleskops der Welt. Doch das war lange her. Denn kaum hatte er sich mit dem Teleskop während seines Studiums an der Uni in Stuttgart beschäftigt, hatte er bald erkannt, dass das Hubble-Teleskop längst nicht so optimal ist, wie es die Amerikaner angeben.
    In dem größten Teleskop der Welt sind verschiedene Spiegel miteinander verbunden, um eine einzige, riesige Spiegelfläche zu schaffen. Aber die Übergänge der großen Glasplatten zu einem Ganzen sind problematisch. Von Beginn an war die Fläche begrenzt, größer ging nicht, oder es hätte keine spiegelglatte Einheit mehr geboten.
    Herbert Stengele lacht erneut auf. Jetzt noch greller und lauter als zuvor, aber auch freudiger. Er scheint selbst darüber erschrocken und hält seine auffallend großen Hände vor seinen breiten Mund. Er richtet sich stolz auf und blickt zufrieden auf ein weiteres, bedeutend großflächigeres Teleskopmodell, das neben dem Hubble-Modell steht, hinunter. Es zeigt in einer geöffneten Kugel einen übergroßen, leicht nach innen gewölbten Spiegel, wie eine riesige Schüssel. Stengeles schwarze Augen flackern unruhig hinter seinen dicken Brillengläsern. Er blickt konzentriert auf die große Spiegelfläche und sieht mit Stolz seine rechteckigen, ineinander verzahnten Glasplatten. Der gesamte Spiegel starrt aus der geöffneten Kugel wie ein einziges gewölbtes, überdimensionales Auge – und vor allem, auch bei näherem Betrachten, zeigen die einzelnen Waben keine unterbrochenen Flächen, sondern gehen nahtlos ineinander über.
    Ich hab dich berechnet, ich kann dich unendlich groß schaffen, schießen die Gedanken des Erfinders, bei seinem Blick auf den Spiegel, durch seinen Kopf. Er kniet nieder, um sein Werk auf Augenhöhe zu
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