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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul
Autoren: Achim Wohlgethan
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Berufssoldaten nicht interessiert war.
    Die Begründung der Stammdienststelle war ein Schock. Nicht nur für mich – auch für meine Kameraden und Vorgesetzten. Ich nahm mir über den Bundeswehrverband einen Anwalt und brachte den Fall vor Gericht. Das Urteil: Die letzte Entscheidung in Personalfragen liege bei der Stammdienststelle. Den Aufstieg zum Feldwebel konnte ich mir also abschminken. Wenn dies das letzte Wort wäre, müsste ich schon bald, nämlich ein Jahr vor meinem Austritt, so wie es üblich war, in den Berufsförderungsdienst gehen müssen. Doch da blitzte ein Lichtstrahl am Horizont auf, und zwar in Form meines hervorragenden Kompaniechefs. Er setzte alle Hebel in Bewegung, dass ich zumindest in meiner Laufbahngruppe auf zwölf Jahre verlängert werde. Das war eigentlich so gut wie unmöglich in meiner Truppengattung. Verlängert wurden nur sogenannte »Spezialisten«. Zum Beispiel Gabelstaplerfahrer, Kranbediener, Köche, Verwaltungsfachleute und so weiter. Alles nicht meine Verwendungsreihe. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit: die Vorauskräfte der Brigade – einzelne Soldaten, die immer wieder für Spezialaufträge herangezogen wurden und die nur dem Kommandeur unterstanden. Dazu musste ich jede Menge Lehrgänge machen: verschiedene Einzelkämpferlehrgänge, Freifallspringerlehrgänge, Scharfschützenausbildung sowie weitere Spezialisierungslehrgänge.
    Das hörte sich gut und sinnvoll an, hatte aber einen Haken: Diese ganzen Kurse waren in einem sehr kurzen Zeitraum zu absolvieren, weil ich ja immer noch nur für sechs Jahre verpflichtet war und der Berufsförderungsdienst vor der Tür stand. Rein rechnerisch würde ich die Kurse in dieser Zeit problemlos durchziehen können. Aber unter einer Bedingung: Ich müsste alle Kurse ohne Pause hintereinander bestehen. Ohne Ausfälle durch Verletzung, Krankheit oder weil ich irgendwo durchfalle. Es gab nur ein Problem: Für alle diese Lehrgänge brauchte ich eine Rest-Dienstzeit von zwei Jahren. Die hatte ich nicht. Ich wurde also offiziell als Reservist für die Vorauskräfte der Luftlande-Brigade 31 eingeplant und durfte somit auch ohne entsprechende Restdienstzeit die wichtigen Lehrgänge besuchen. Viele zweifelten daran, dass ich das Programm schaffen würde, da die Ausfallquote bei diesen Lehrgängen sehr hoch war und ich nicht einen einzigen Fehler machen durfte. Doch es klappte: Ich bestand sie alle.
    Ende November 1999, also in allerletzter Minute, kam dann meine Verlängerung auf zwölf Jahre. Da sich mein Fall mittlerweile bis in die Division herumgesprochen hatte, schickte man mich immer wieder auf Lehrgänge, forderte mich für irgendwelche Aufträge an und versprach mir immer wieder meine Beförderung. Vor allem mein Kompaniechef hatte sich schwer ins Zeug gelegt. In einer späteren Stellungnahme zu meinem Weiterverpflichtungsantrag schrieb er: »Wohlgethan ist ein Stabsunteroffizier von außergewöhnlicher Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen. Er ist mit Abstand der leistungsfähigste Stabsunteroffizier, den ich in über 16 Dienstjahren erlebt habe. Ein Leistungsunterschied zu den Feldwebeln und Oberfeldwebeln der Kompanie ist nicht erkennbar. In Teilbereichen ist er sogar besser qualifiziert.« Die Mischung, die mein Kompaniechef ansprach, war genau das, was mich für meine Aufgaben in Afghanistan prädestiniert hatte: Ich war extrem gut ausgebildet, aber vom Rang her gerade mal Mittelklasse.
    Die Versprechungen der Bundeswehr bezüglich meines beruflichen Vorankommens gingen übrigens auch nach meinem Einsatz in Kabul weiter: Ich wurde in eine neue Spezialeinheit, die Spezialzüge der »Division Spezielle Operationen« aufgenommen, an deren Aufstellungskonzept ich aufgrund meiner Erfahrungen maßgeblich mitwirkte. Dennoch schied ich am 16. Januar 2006 mit 39 Jahren und sechs Monaten nur als Stabsunteroffizier aus. Vom Berufsförderungsdienst der Bundeswehr hatte ich zuvor eine Ausbildung zum Personenschützer finanziert bekommen, die ich in Deutschland und Israel absolvierte. Das war eine gute Grundlage, um mich als Sicherheitsberater für Aufträge im In- und Ausland selbständig zu machen. Am liebsten waren mir aber meine Jobs zu Hause in und um Wolfsburg. Ich habe zum Beispiel Selbstverteidigungskurse für Frauen und Kinder gegeben – nicht selten verzweifelte Opfer häuslicher Gewalt oder von unberechenbaren »Stalkern«.
    Das war schon eher nach meinem Geschmack. Mir war längst klar geworden, dass ich mich nach einem
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