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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul
Autoren: Achim Wohlgethan
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gezeigt, dass ich noch auf einem anderen Planeten weilte und dass mich niemand hier verstand. Ich ging zurück zu Feldwebel Reichert und fragte, ob ich ein paar Tage Urlaub nehmen könnte. Schließlich hatte ich das letzte halbe Jahr nonstop durchgearbeitet, und das bei Tag und Nacht. Kein Problem, sagte er mir. Ich solle mir bloß noch das Okay meines Gruppenführers holen. Mit diesen guten Aussichten machte ich mich los. Die Begrüßung hätte für meinen Geschmack allerdings etwas freundlicher ausfallen können. Das Erste, was ich zu hören bekam, waren Sprüche – nach dem Motto: Sie haben sich nach Afghanistan verdünnisiert, obwohl wir Sie dringend zur Neuaufstellung des Spezialzugs gebraucht hätten. Ich dachte, ich spinne! War ich denn auf einmal zu Mister Wichtig mutiert? In den Monaten und Jahren zuvor hatte ich so meine Erfahrungen gemacht, die mich in dieser Hinsicht sehr desillusioniert hatten.
    Dazu muss ich kurz ausholen und werde auch die offene Frage um meinen Dienstgrad klären. Nach dem Abi war ich ein Jahr durch die Welt gereist, bevor ich das erste Mal mit der Bundeswehr in Kontakt kam. Ich leistete meinen fünfzehnmonatigen Wehrdienst bei einem Panzergrenadier-Bataillon und verließ die Truppe als Obergefreiter. Danach jobbte ich ein halbes Jahr hier und dort und begann dann als Aushilfe für eine Helikopter-Flugservice-Gesellschaft, wo ich später auch zum Berufshubschrauberpiloten ausgebildet wurde. Danach begann ich eine Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrundschutz, doch ich langweilte mich so sehr, dass ich das Weite suchte und bei der Fremdenlegion der französischen Armee anheuerte. Doch nach wenigen Wochen zog ich mir eine Verletzung zu und schied deshalb aus. Mittlerweile 28 Jahre alt, hatte ich mich mehr zum Spaß bei der Bundeswehr beworben. Mir war eigentlich klar gewesen, dass ich zu alt war für eine Karriere beim Bund. Doch erstaunlicherweise wurde ich genommen – mit dem Versprechen, bei entsprechender Leistung auf keine Hürde zu treffen, die meinen Weg nach oben behindern würde.
    Im April 1995 wurde ich Soldat auf Zeit für zunächst vier Jahre, und zwar in der Laufbahn der Mannschaftsdienstgrade, weil in dieser Truppe gerade keine Unteroffizier-Stellen frei waren. Für mich war das kein Problem. Ich wusste ja, dass ich bei entsprechender Leistung vorankäme. Und das hatte ich mir vorgenommen. Ich wurde in eine Kampfkompanie, das Fallschirmjäger-Bataillon 314, nach Oldenburg berufen. In dieser Kompanie fand ich eine Familie, in der zwar ein rauher Ton herrschte, aber in der auch immer nach Leistung beurteilt wurde. Nachdem ich durch gute Leistung in allen mir anvertrauten Bereichen glänzte, wurde ich Anfang 1996 auf den Unteroffizier-Lehrgang geschickt. Man verlängerte mich auf sechs Jahre und prophezeite mir eine militärische Karriere. Nachdem ich immer wieder positiv auffiel, hat man mir eine Weiterverpflichtung in der Laufbahn der Feldwebel angeboten und auch eine Stelle in meiner Einheit zur Verfügung gestellt. Zum damaligen Zeitpunkt war das recht ungewöhnlich. Dazu musste ich allerdings auf zwölf Jahre verlängert werden. Und genau da fingen die Probleme an.
    Anfang 1999 kam die schockierende Nachricht: Ich würde nicht zum Feldwebel befördert, nicht verlängert und würde nach Ablauf meiner sechs Jahre, also im April 2001, aus der Bundeswehr entlassen. Die Begründung der Stammdienststelle des Heeres lautete wie folgt: Ich sei für die Förderung zum Feldwebel zu alt und somit ein Präzedenzfall, auf den sich andere nach mir berufen könnten. Wenn ich weiter bei der Bundeswehr beschäftigt sei und irgendwann einen Antrag auf Berufssoldat stelle, habe man keinen Entscheidungsspielraum und könne mich nicht ablehnen. Da für die Bewilligung dieser Anträge immer der Schlechteste eines Jahrgangs zum Vergleich herangezogen wird, sei man in der Falle und müsse mich automatisch nehmen, weil ich ja schon jetzt besser als die Leute meines Jahrgangs sei. Gegen die Verlängerung auf zwölf Jahre sprach auch mein Eintrittsalter von 28 Jahren, denn mit 40 Jahren wird man automatisch Berufssoldat. Dieses Argument konnte ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ich habe nämlich bis zu meinem Bundeswehr-Ausstieg im Januar 2006 in allen Beurteilungen – in denen es auch eine Rubrik »Erklärung des Beurteilten« gibt, wo man über seine Vorstellungen zum weiteren Werdegang Angaben machen kann – per Unterschrift bezeugt, dass ich an einer Übernahme zum
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