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Emilia - Herzbeben

Emilia - Herzbeben

Titel: Emilia - Herzbeben
Autoren: Nina Nell
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    Sie versuchte den Schmerz zu unterdrücken. So, wie sie es immer tat. Doch dieses Mal tat es ungewöhnlich stark weh. Mehr als sonst. Sie biss die Zähne zusammen und atmete. Tief. Und ruhig. Doch ihre Lungenflügel bebten. So, wie der Rest ihres Körpers. Sie war die Schmerzen gewöhnt. Und sie war die Worte gewöhnt, die sie benutzten, um sie zu verletzen. Sie waren immer gleich. Freak. Alien. Vampir. Missgeburt. Doch nie, niemals hatten sie ihre Eltern beleidigt. Nie hatten sie sich getraut ein schlechtes Wort über sie zu verlieren. Über ihre wunderschöne Mutter und ihren Vater, den sie mehr fürchteten, als alles Andere. Sie hörte seine Stimme in ihrem Kopf. Atme , sagte sie. Immer wieder. Atme. Atme. Atme. Und sie tat, was er sagte. Sie holte tief Luft und atmete sie durch den Mund zitternd wieder aus. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann schubsten sie sie erneut. Sie stolperte rückwärts und versuchte so schnell wie möglich ihr Gleichgewicht wiederzufinden, um dann wieder wie erstarrt dazustehen und auf den Boden zu starren.
    Sie lachten. »Was ist los? Hat dir dein Freakvater nicht beigebracht, dich zu wehren?«
    Ihre Zähne knirschten, so fest biss sie sie zusammen. Normalerweise griffen sie sie niemals körperlich an. Sie hatten zu viel Angst vor ihr. Doch ihre Worte waren ohnehin schmerzhafter, als ein körperlicher Angriff es je sein könnte. Sie musste sich nur beherrschen, nicht zurück zu schubsten. Atme , hörte sie seine Stimme wieder.
    »Wahrscheinlich ist er genauso ein Loser wie du! Lässt sich alles gefallen«, lachte er. Seine Freunde lachten mit ihm. Und die Mädchen, die um sie herum standen, kicherten amüsiert. DerVorhof der Schule war überfüllt von Menschen. Es war laut. Und manchmal wurde sie angerempelt. Niemand bekam mit, was hier geschah. Und selbst, wenn sie es mitbekommen hätten, wäre es ihnen allen völlig egal gewesen. Nicht einmal ein Lehrer kam ihr zur Hilfe. Jetzt beugte sich der Junge nach vorn und stützte seine Hände auf den Knien ab, um noch einen Schritt weiter zu gehen: »Vielleicht kennt er es ja nicht anders, hm?«, machte er. »Lässt sich wohl auch von seiner Frau verprügeln.« Jetzt grölten die Jungs hinter ihm los. »Ist deine schöne Mami 'ne Domina?«
    Mia ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Nasenflügel blähten sich auf und ihre Atmung stockte. Sie spürte, wie ihr eine unangenehme Hitze durch den Körper zog und auf ihrer Haut brannte. Sogar der aufkommende, kühle Wind, der ihnen um die Nase wehte, brannte wie Feuer. Er wirbelte ihr Haar zurück, so dass sie nun auch noch die kichernden Mädchen aus dem Augenwinkel sehen konnte.
    »Ist sie von Beruf Nutte? Die kennen sich doch damit aus!«
    Atme! ATME! , schrie sie sich innerlich an. Sie versuchte die Wut zurückzuhalten, aber sie bebte in ihrem ganzen Körper. Langsam und beherrscht hob sie den Kopf, doch sie sah ihm nicht in die Augen. Sie blickte sein T-Shirt an. »Lass … das«, hauchte sie warnend und versuchte weiter ruhig zu atmen, doch die Luft zischte schnell und flach durch ihre Nase.
    Der Junge lachte weiter. »Oder was? Holst du dann Loser-Papi? Oder Nutten-Mami? Vielleicht kann ich mich ja freikaufen! Was kostet sie?«
    In dem Moment spürte Mia, wie sich ihre Pupillen erweiterten und ihr Blick automatisch nach oben schoss und sein widerlich grinsendes Gesicht fixierte. Sie sah ihn so hasserfüllt an, dass er plötzlich verstummte. Er holte zwar Luft, doch er sagte nichts mehr. Sein Gesicht versteinerte. Schrecken zeichnete sich darin ab. Ein Schrecken, der sich in den nächsten Sekunden in Angst verwandelte. Auch die anderen Jungs waren plötzlich still. Und sie hörte die Mädchen nicht mehr kichern. Es wurde plötzlich ruhig auf dem Hof. Unheimlich ruhig. Sie wusste nicht, ob sie die Geräusche einfach ausblendete, oder ob sich der Hof plötzlich geleert hatte. Ihre Augen fixierten, als habe sie die Kontrolledarüber verloren, nur sein erschrockenes Gesicht. Sie wollte es am Liebsten zerfetzen. Es in der Luft zerreißen wie Papier! Seine Augen waren weit aufgerissen. Diese gemeinen Augen, die sie immer so herabwürdigend angesehen hatten. Jetzt war Angst darin zu erkennen. Nackte Angst. Aber das war ihr egal. Ihr Verstand hatte sich fühlbar ausgeschaltet. In ihr war nur noch blanker Hass. Und ihre Wut kochte so heiß durch ihre Adern, dass sie nicht einmal den Regen spürte, der ihr plötzlich auf die Haut prasselte. Sie bemerkte ihn nur, weil er mit seinen langen Fäden den
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