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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis
Autoren: António Lobo Antunes
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fiktionalisierte Text mit seinem dichten autobiographischen Substrat ist inszeniert als trunkener Monolog eines Angola-Veteranen in einer Lissaboner Bar. Er
ist die fiebrige Konfession an eine unbekannte Frau, der besessene Redeschwall eines Mannes, der seine Verzweiflung in Alkoholschwaden auflöst. So kaputt er ist, so gnadenlos rechnet er mit denen ab, die ihn kaputtgemacht, in einem absurden Krieg verheizt und fürs Leben verdorben haben. Vier Jahre später, in seinem Roman »Fado Alexandrino« (1983), sollte Lobo Antunes das Thema der Nelkenrevolution nochmals aufgreifen: Da treffen sich fünf Veteranen des Kolonialkriegs in einer Kneipe und beichten einander, fast zehn Jahre nach der Revolution, die Debakel und Fiaskos nach ihrer Heimkehr.
    Der 25. April 1974, der Militärputsch gegen das System Salazar /Caetano – das ist das Datum, an dem sich die Geister scheiden, auch die der Familie Lobo Antunes. Der Vater und die Brüder des Autors waren einverstanden mit dem Umsturz. Aber die Brüder seiner Mutter, die Schwestern seines Vaters haben die Revolution einfach nicht zur Kenntnis genommen, haben sich verweigert, die Zeit angehalten, sich eingesponnen in ein imaginäres Portugal von früher.
    Diese Ambivalenz gegenüber der Geschichte durchzieht auch das Personal der Romane. Bei Lobo Antunes kommen alle zu Wort, die Machthaber, die Nutznießer, die Opfer, die Verlierer. Die großen Familien der Salazar-Zeit, die Wirtschaftsbarone, Kirchenfürsten und Financiers, gehören ebenso zum Stammpersonal wie die Militärs und die Geheimdienstleute, die imperialen Phantasten und achtlosen Menschenwürger, einschließlich ihrer Büttel und Folterknechte. Wie die Herrschaft der großen alten Familien-Clans andauert, das beschreibt etwa der Roman »Das Handbuch der Inquisitoren«. Die Zensur mag in Portugal abgeschafft, die PIDE, die politische Polizei, mag aufgelöst sein, aber der Schatten der Despotie
mit ihrem Spitzel- und Folterwesen ist nicht gewichen. Die Diktatur von einst hat nur geheimem neuen Terror Platz gemacht, grotesken und gespenstischen Machenschaften, wie im Roman »Anweisungen an die Krokodile« nachzulesen ist, politischen Komplotten und Geheimdienst-Attentaten in der Ex-Kolonie Angola, wie sie der jüngste Roman »Guten Abend ihr Dinge hier unten« beschreibt. Die Ordnung der alten Männer, das väterliche Prinzip, gilt nach wie vor. Und sie spinnen noch ihre Ränke, als wäre Salazar nach wie vor an der Macht – der kümmerliche lusitanische Diktator, der »mit seinem Spatzenfiepen« über Leben und Tod entscheiden konnte, über Erwerb und Verderb, über Fátima-Wunder, Konzentrationslager und Kolonialkriege.
    Aber es gibt auch die Lebensuntüchtigen, die Träumer und Melancholiker. In vielen seiner Romane führt Lobo Antunes solche Menschen vor, die nostalgisch einer verschwundenen Größe von einst nachhängen: Schleiereulen der Vergangenheit, die benommen ins Heute blinzeln und sich nicht zurechtfinden im grellen Faktenlicht. Auf der anderen Seite läßt Lobo Antunes aber auch die Opfer der Geschichte auftreten. Er entfaltet ein Panorama der kleinen Leute und gestrandeten Existenzen, die nicht wissen, wie ihnen geschieht – Habenichtse, Geduckte und Gedrückte, Verrückte, Spinner, gebrochene Menschen. Bei allen schwärt die nachkoloniale Seelenfäule weiter fort, bei den Rückkehrern aus den überseeischen Provinzen ebenso wie bei den Veteranen des Kolonialkriegs.
    Es hat seinen besonderen Reiz, nun das allererste Buch dieses Autors – den legendären Vorgänger-Roman von »Der Judaskuß« – zuletzt zu lesen, den Grundstein dieses gewaltigen Romanwerks gewissermaßen als dessen Schluß-Stein.
Lobo Antunes zögerte lange, »Memoria de Elefante« – erstmals erschienen 1979, im selben Jahr wie »Der Judaskuß« – seinem fremdsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Fürchtete er, sein Erstlingswerk werde den Vergleich mit seinen späteren, immer komplexer und vielschichtiger gebauten Romanen nicht aushalten? Hatte er Bedenken, weil in diesem Debüt-Roman von der Heimkehr eines Militärarztes aus dem Angola-Krieg so unverhüllt und deutlich das autobiographische Unterfutter erkennbar ist? Ließ ihn das Urteil seines Vaters, Psychiater wie er selber, zaudern, der das Buch anfängerhaft fand? Wenn solche Vorbehalte und Besorgnisse der Grund seines Zögerns gewesen sein sollten, dann läßt sich nach der Lektüre dieses Erstlings sagen: Sie waren unberechtigt. »Elefantengedächtnis«
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