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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis
Autoren: António Lobo Antunes
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kann sehr wohl neben den späteren Werken bestehen: Es ist ein kraftvoll erzähltes Buch und besitzt allen Zauber und alle Unschuld eines Erstlingswerks.
    Mehr noch: »Elefantengedächtnis« eignet sich hervorragend als Einstieg in die Roman-Welt von Lobo Antunes. Gewiß: von der unverwechselbaren polyphonen Erzähltechnik, dem Verfahren des Stimmengewirrs aus Gesprächen und inneren Monologen ohne Erzählstrang, die Lobo Antunes erfunden, entwickelt und in sechzehn Büchern immer mehr ausdifferenziert und verfeinert hat, ist in »Elefantengedächtnis« noch nichts zu erkennen. Aber auch wenn von der kühnen Konstruktion und virtuosen Vielstimmigkeit der späteren Werke hier noch kaum etwas zu merken ist, läßt dieses Buch die späteren Romane doch in einem anderen Licht erscheinen. Es nimmt den Leser mit zu den autobiographischen Quellen, aus denen sich das gesamte folgende Œuvre speist – später freilich kaum mehr wahrnehmbar, weil das autobiographische
Element immer raffinierter verhüllt wird und das Ich des Autors hinter der Fülle von Erzählerstimmen verschwindet. »Memoria de Elefante« fängt die Atmosphäre und das geistige Klima Portugals an der Wende zur Demokratie ein und enthält bereits alle Themen und Motive, die diesen Autor sein Leben lang umtreiben werden.
    Da ist zunächst das Trauma des Angola-Krieges. So wie der Autor selbst sind die Helden und Erzähler seiner ersten drei Romane gleichfalls Angola-Veteranen, von ihren Erfahrungen schwer gezeichnet. Das Grauen und Entsetzen über dieses »portugiesische Vietnam« wird nie mehr ganz aus Lobo Antunes’ Texten verschwinden. Dieser Kolonialkrieg ist der erste Ort der Hölle, den dieser Dreißigjährige kennen gelernt hat, und er hat ihn mit tiefen Depressionen infiziert. Im Roman ist die Rede von »unerklärlichen Melancholien«, von einer »ozeanischen Traurigkeitstiefe«.
    Der zweite Höllenort, in den der Autor und sein Held Einblick nehmen, ist das Irrenhaus – das psychiatrische Krankenhaus in Lissabon, in dem der Sohn dem Vater im Chefarzt-Posten gefolgt ist, im Roman und in der Realität. »1973 kam ich im Hospital Miguel Bombarda an, um die lange Reise durch die Hölle zu beginnen«, liest man im dritten Roman von Lobo Antunes, »Einblick in die Hölle«. Und in »Elefantengedächtnis« liest man: »Hier hinein, dachte der Arzt, mündet das letzte Elend, die absolute Einsamkeit, was wir an uns selber nicht ertragen können, die verborgensten und beschämendsten unserer Gefühle, die wir bei den anderen Verrücktheit nennen, die aber letztlich unsere eigene ist, vor der wir uns schützen, indem wir sie mit Etiketten versehen, hinter Gittern zusammenpferchen, mit Pillen und Tropfen nähren.«

    Auch die radikale Auseinandersetzung mit dem eigenen Beruf, der Aufstand des Sohnes gegen eine Profession, die er als familiäres Oktroi empfindet, ist ein Leitmotiv zumindest der frühen Romane von Lobo Antunes. Es zieht seine Helden mächtig zur Literatur, zum Schreiben, aber der Druck der Familie, die Macht der Tradition hindern sie vorläufig noch daran, den entscheidenden Schritt zu tun, aus den vorgegebenen familiären Bahnen auszubrechen und den Beruf zu wechseln. Schriftsteller zu sein, entspricht ganz und gar nicht den Erwartungen der Familie, des Vaters und des Großvaters. Im Gegenteil: dieser Beruf stößt auf ihre tiefe Mißbilligung.
    Sein Held von »Elefantengedächtnis« empfindet »täglich ein schlechtes Gewissen wegen der Kraftlosigkeit meiner Proteste und meiner angepaßten Unangepaßtheit und wegen der Gewißheit, daß die Revolution, die von innen heraus gemacht wird, bei mir nicht funktioniert«. Erst in seinem dritten Roman »Einblick in die Hölle« wird Lobo Antunes beschreiben, wie sein Leiden an der Psychiatrie so stark zunahm, dass er die Kraft zum Widerstand und schließlich zum Bruch mit der Familientradition fand. Das Buch erzählt seine schwierige Selbstbefreiung aus seinem deprimierenden Beruf.
    In »Elefantengedächtnis« herrscht bereits eine Stimmung vor, die später das gesamte Roman-Œuvre dieses Autors grundieren wird. Es ist das Grundgefühl, dass Portugal durch die sich viel zu lang hinschleppende Agonie des Salazar-Regimes ein vergiftetes und kraftloses Land ist – eine Gesellschaft, die niederdrückende Erinnerungen wie uralte Todeskeime mit sich herumträgt und sich davon nicht erholen kann. Alles heißt Salazar, alles ist gelähmt von diesem Namen – die Vergangenheit, die Gegenwart und auch die
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