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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Eins
    Der Sargento wirft einen Blick auf Madre Patrocinio, und die fette Schmeißfliege sitzt immer noch da. Das Motorboot hopst auf den trüben Wellen dahin, zwischen zwei Mauern aus Bäumen, die einen stickigen, heißen Dunst ausatmen. Unter dem Sonnendach zusammengerollt, vom Gürtel aufwärts nackt, schlafen die Guardias, gewärmt von der grünlich-gelblichen Mittagssonne: Der Kopf des Knirpses liegt auf dem Bauch des Fetten, der Blonde ist in Schweiß gebadet, der Dunkle schnarcht mit offnem Mund. Ein Schirm aus Insekten begleitet das Boot, zwischen den Körpern kreisen Schmetterlinge, Wespen und dicke Fliegen. Der Motor rattert gleichmäßig vor sich hin, stottert, rattert wieder, und der Lotse Nieves führt das Steuer mit der linken Hand, mit der rechten raucht er, und sein tief gebräuntes Gesicht unter dem Strohhut bleibt unverändert. Diese Leute aus dem Urwald waren nicht normal, warum schwitzten sie nicht wie Christenmenschen? Achtern sitzt steif, mit geschlossenen Augen, Madre Angélica, mindestens tausend Falten im Gesicht, mitunter steckt sie die Zungenspitze heraus und leckt den Schweiß vom Schnurrbart und spuckt aus. Die arme Alte, solche Ausflüge waren nichts für sie. Die fette Schmeißfliege schlägt die kleinenblauen Flügel, löst sich mit sanftem Auftrieb von der rosigen Stirn Madre Patrocinios, fliegt in Kreisen davon ins weiße Licht, und der Lotse würde gleich den Motor abstellen, Sargento, sie waren nämlich gleich da, nach dieser Einbuchtung kam Chicais. Aber etwas sagte dem Sargento, es wird niemand dasein. Das Motorengeräusch bricht ab, die Madres und die Guardias öffnen die Augen, heben den Kopf, blicken sich um. Der Lotse Nieves ist aufgestanden, drückt die Stake nach rechts, nach links, das Boot nähert sich geräuschlos dem Ufer, die Guardias stehen auf, ziehen die Hemden an, setzen die Képis auf, schnallen die Ledergamaschen um. Der Pflanzenvorhang rechts reißt ab, sobald die Flußkrümmung passiert ist, und man sieht ein Hochufer, einen schmalen Einschub rötlicher Erde, der bis zu einem winzigen Winkel voller Morast, Steinbrocken, Röhricht und Farnbüschel herunterläuft. Unten ist kein Kanu, oben am Uferrand keine menschliche Gestalt zu sehen. Das Boot läuft auf, Nieves und die Soldaten springen hinaus, waten durch den bleifarbenen Brei. Ein Friedhof, Ahnungen konnte man vertrauen, die Mangaches hatten recht. Der Sargento steht über den Bug gebeugt, der Lotse und die Guardias zerren das Boot aufs Trockene. Sie sollten den Madrecitas behilflich sein, sollten mit den Händen einen Tragstuhl machen, damit sie nicht naß würden. Madre Angélica bleibt ernst zwischen den Armen des Dunklen und des Fetten. Madre Patrocinio zögert, als der Knirps und der Blondeeinander bei den Handgelenken packen und ihr den Sitz hinhalten, und errötet wie ein Krebs, als sie sich daraufplumpsen läßt. Die Guardias überqueren schwankend den Uferstreifen, setzen die Nonnen da ab, wo der Schlamm endet. Der Sargento springt, erreicht den Fuß des Uferabhangs, und Madre Angélica klettert schon sehr beherzt das Gefälle hoch, hinter ihr her Madre Patrocinio, beide auf allen vieren, eingehüllt von rötlichen Staubwolken. Die Erde des Abhangs ist locker, gibt unter jedem Schritt nach, der Sargento und die Guardias kommen nur langsam voran, stecken gekrümmt, erstickt, bis zu den Knien im Staub, das Taschentuch vor dem Mund, der Fette niest und spuckt. Oben angekommen, klopfen sie einander den Staub von den Uniformen, und der Sargento schaut sich um: eine kreisförmige Lichtung, eine Handvoll Hütten mit kegelförmigen Dächern, kleine Felder Maniok und Bananen und, ringsherum, dichter Dschungel. Zwischen den Hütten kleine Bäume, von deren Zweigen eiförmige Säcke pendeln: Nester der Paucares. Er hatte es ihr ja gesagt, Madre Angélica, er wollte das doch betonen, keine Seele, sie sahen selbst. Aber die Madre geht von einer Seite zur andern, tritt in eine Hütte, kommt wieder heraus und steckt den Kopf in die nächste, verjagt mit Händeklatschen die Fliegen, bleibt auch nicht einen Moment stehen, und so ist sie, von fern, ihre Umrisse im Staub undeutlich, nicht eine Greisin, sondern ein wandelndes Ordenskleid, aufrecht, ein sehr energischer Schatten.Madre Patrocinio dagegen steht unbeweglich, die Hände im Habit verborgen, und ihre Augen gleiten immer wieder über die leere Siedlung hin. Einige Zweige bewegen sich, und man hört gellende Schreie, ein Geschwader grüner Flügel, schwarzer
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