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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Mario Vargas Llosa
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wirft sich hin und her, und die beiden Aguarunas stieren auf den Lauf, den Schaft, die runden Mündungen der Gewehre: der Fette sollte den Mut nicht verlieren. Er verlor den Mut nicht, Sargento, aber was für eine Art der hatte, einen anzusehen, Himmel, Arsch und, das ging doch nicht. Der Blonde, Madre Angélica und die Mädchen werden auch von den Staubwolken verschluckt, und die Alte ist bis zum Rand des Abhangs vorgekrochen, blickt zum Fluß hinunter, ihre Brustwarzen berühren die Erde, und der Knabe stößt seltsame Laute aus, jault wie ein Trauervogel, und dem Fetten behagte es nicht, die Nacktärsche so nahe stehen zu haben, Sargento, wie kamen sie jetzt hinunter, wo sie allein waren. Und da springt der Motor des Bootes an: die Alte verstummt und hebt das Gesicht, schaut zum Himmel, der Knabe ahmt sie nach, die beiden Aguarunas ahmen sie nach, und die Rindviecher suchten ein Flugzeug. Fetter, die schauten nicht her, jetzt war’s soweit. Sie ziehen die Gewehre zurück und stoßen sie plötzlich vor, die beiden Männer machen einen Satz zurück und gestikulieren, und da bewegen sich der Sargento und der Fette rückwärts den Abhang hinunter, die Gewehre immerzu im Anschlag, versinken bis zu den Knien, und der Motor rattert immer lauter, vergiftet die Luft mit Spucken, Knattern, Gurgeln, Vibrationen und Erschütterungen, und auf dem Abhang istes nicht wie oben auf der Lichtung, keine Brise, nur stickiger Dunst und rötlicher und irritierender Staub, der niesen macht. Undeutlich wahrnehmbar durchforschen dort oben am Abhang einige strubbelige Köpfe den Himmel, bewegen sich pendelartig hin und her und suchen zwischen den Wolken, und der Motor war doch dort und die flennenden Mädchen, Fetter, und der, was, mi sargento? er konnte nicht mehr. Sie überqueren den Moraststreifen in vollem Lauf, und als sie beim Boot ankommen, keuchen sie und lassen die Zunge heraushängen. Höchste Zeit, warum hatten sie so lange gebraucht? Wie sollte der Fette da noch einsteigen, hatten es sich ja recht bequem gemacht, unverschämte Kerle, sie sollten ihm Platz machen. Aber er mußte sich dünn machen, sie würden schon sehen, der Fette stieg ein und das Boot soff ab, und jetzt war keine Zeit für Witze, sollten endlich abfahren, Sargento. Taten sie ja schon, Madre Angélica, unseres Todes, Amen.

I
    Eine Tür wurde zugeknallt, die Oberin sah vom Schreibtisch auf, Madre Angélica platzte ins Büro wie eine Sturmwelle, ihre bleichen Hände fielen auf die Lehne eines Stuhls.
    »Was ist los, Madre Angélica? Sie sind ja ganz aufgeregt.«
    »Sie sind entflohen, Madre!« stammelte Madre Angélica. »Keine einzige ist mehr da, mein Gott.«
    »Was sagen Sie, Madre Angélica!« Die Oberin war aufgesprungen und eilte zur Tür. »Die Mündel?«
    »Mein Gott, mein Gott!« Madre Angélica nickte bestätigend, machte kleine, sehr hastige Bewegungen mit dem Kopf, immer dieselben, wie ein Huhn, das Körner pickt.
    Santa María de Nieva erhebt sich da, wo der Nieva in den Alto Marañón mündet, zwei Flüsse, die die Stadt umarmen und ihre Grenzen sind. Ihr gegenüber ragen aus dem Marañón zwei Inseln empor, die den Bewohnern zum Messen des Wasserstandes dienen. Vom Ort aus sieht man, wenn kein Nebel herrscht, im Hintergrund von Vegetation überzogene Hügel und im Vordergrund, den breiten Fluß abwärts, die schwarzen Massen der Kordillere, die der Marañón zum Pongo de Manseriche spaltet: zehn Kilometerwilde Strudel, Felsen und Schnellen, die bei einer Militärgarnison, der des Teniente Pinglo, beginnen und bei einer andern, der von Borja, enden. »Hier hinaus«, sagte Madre Patrocinio. »Schauen Sie, die Tür steht offen, hier sind sie durch.«
    Die Oberin hob die Laterne hoch und beugte sich hinaus: das Gestrüpp war ein einheitlicher Schatten, wie überschwemmt von Insekten. Sie wandte sich den Nonnen zu. Die Ordenstrachten waren in der Dunkelheit unsichtbar, aber die weißen Schleier leuchteten wie das Gefieder von Reihern.
    »Suchen Sie Bonifacia, Madre Angélica«, murmelte die Oberin. »Bringen Sie sie in mein Büro.«
    »Ja, Madre, sofort.« Die Laterne beleuchtete eine Sekunde lang das zitternde Kinn Madre Angélicas, ihre Äugchen, die zuckenden Wimpern.
    »Unterrichten Sie Don Fabio, Madre Griselda«, sagte die Oberin. »Und Sie den Teniente, Madre Patrocinio. Sie sollen auf der Stelle zur Suche aufbrechen. Beeilen Sie sich, Madres.«
    Zwei weiße Kreise verließen die Gruppe in Richtung auf den Patio der Mission. Die Oberin,
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