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Das Land der MacKenzies

Das Land der MacKenzies

Titel: Das Land der MacKenzies
Autoren: Linda Howard
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1. KAPITEL
    Er brauchte eine Frau.
    Wolf Mackenzie verbrachte eine schlaflose Nacht. Angespannt beobachtete er, wie das silbrige Mondlicht auf das unberührte Kissen neben ihm fiel. Sein Körper schmerzte vor Verlangen. Dem sexuellen Verlangen eines gesunden Mannes. Mit den verrinnenden Stunden wuchs seine Frustration. Irgendwann stand er auf und ging nackt zum Fenster hinüber. Der Boden war kalt unter seinen bloßen Füßen. Doch das war Wolf nur recht. Die Kälte lenkte von der unerwünschten Hitze ab, die durch seine Adern pulste.
    Das fahle Mondlicht fiel auf die ausgeprägten Züge seines Gesichts, zeigte deutlich seine Herkunft auf. Mehr noch als das schwarze Haar, dicht und lang bis auf die Schultern, mehr noch als die dunklen Augen mit den schweren Lidern wiesen seine Gesichtszüge ihn als Indianer aus. Hohe Wangenknochen, breite Stirn, schmale Lippen, gerade Nase. Weniger augenscheinlich, aber genauso stark war das keltische Erbe seines Vaters ausgeprägt, erst vor einer Generation aus den schottischen Highlands herausgetragen. Dieses Erbe machte die indianischen Züge noch markanter, betonte sie klar und scharf. In ihm floss das Blut zweier Kriegervölker, Komantschen und Kelten. Der geborene Kämpfer, eine Tatsache, die der Armee schnell aufgefallen war, sobald er sich eingeschrieben hatte.
    Er war ebenso ein sinnlicher Mensch, er kannte sich. Selbst wenn er sich zu kontrollieren wusste, gab es Zeiten, da er eine Frau brauchte. Normalerweise besuchte er dann Julie Oakes. Sie war geschieden, ein paar Jahre älter als er und lebte in einer kleinen Stadt ungefähr fünfzig Meilen entfernt. Ihr Arrangement dauerte jetzt schon fünf Jahre. Weder Wolf noch Julie waren an einer Ehe interessiert, aber beide hatten Bedürfnisse, und sie waren einander sympathisch. Wolf achtete darauf, dass er nicht zu oft zu Julie ging. Und dass niemand ihn sah, wenn er ihr Haus betrat. Die Nachbarn wären entsetzt, wüssten sie, dass Julie mit einem Indianer schlief. Nicht nur mit irgendeinem Indianer. Eine Anklage wegen Vergewaltigung blieb für immer an einem Mann haften.
    Morgen war Samstag. Die üblichen Pflichten waren zu erledigen, und er musste Zaunmaterial in Ruth, der kleinen Stadt am Fuße seines Berges, abholen. Der Samstagabend war traditionell der Entspannung Vorbehalten. Wolf würde Julie besuchen.
    Die Nacht wurde kälter, tief hängende Wolken zogen über den Himmel. Wolf sah zu, bis sie den Mond verdeckten. Schnee kündigte sich an. Er wollte nicht in sein leeres Bett zurück. Sein Gesicht war ausdruckslos, auch wenn ein körperliches Verlangen ihn beherrschte. Er brauchte eine Frau.
    Mary Elizabeth Potter hatte viele kleine Dinge an diesem Samstagmorgen zu tun, doch ihr Gewissen würde ihr keine Ruhe lassen, bis sie nicht mit Joe Mackenzie geredet hatte. Der Junge hatte zwei Monate, bevor Mary die Stelle von einer aus dem Schuldienst ausgeschiedenen Lehrerin übernommen hatte, die Schule verlassen. Niemand hatte ihr gegenüber den Jungen erwähnt, sie war in den Schülerakten auf ihn gestoßen. Im kleinen Ruth, Wyoming, gab es nicht viele Schüler, Mary hatte sie alle kennenlernen wollen. Die Durchfallquote bei kaum sechzig Schülern war extrem gering, daher war jeder Abgang ungewöhnlich. Beim Durchlesen von Joe Mackenzies Akte war Marys Verblüffung gewachsen. Der Junge war der Beste in seiner Klasse, hatte Einser in allen Fächern. Schlechte Schüler mochten den Mut verlieren und frühzeitig von der Schule abgehen, aber Mary war Lehrerin aus Berufung, und alles in ihr sträubte sich dagegen, dass ein so brillanter Schüler einfach aufgeben sollte. Sie würde mit ihm reden, ihm klarmachen, wie wichtig es für seine Zukunft war, die Ausbildung fortzusetzen. Mit sechzehn war er zu jung, um einen Fehler zu begehen, den er für den Rest seines Lebens bereuen würde. Sie würde nicht mehr ruhig schlafen können, bis sie ihr Bestes gegeben hätte, um den Jungen zu überzeugen.
    Über Nacht war es bitterkalt geworden, es hatte wieder geschneit. Ihr Kater maunzte kläglich, als er ihr um die Beine strich. „Ich weiß, Woodrow“, tröstete Mary das Tier, „dir müssen ja die Tatzen frieren.“ Sie konnte es nachempfinden. Sie hatte kalte Füße, seit sie nach Wyoming gezogen war.
    Bevor der nächste Winter kam, würde sie sich ein Paar solide, mit Fell gefütterte und wasserdichte Stiefel anschaffen. Damit könnte sie dann durch den Schnee stapfen, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes gekannt. Eigentlich
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