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Elefanten vergessen nicht

Elefanten vergessen nicht

Titel: Elefanten vergessen nicht
Autoren: Agatha Christie
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wussten. Sie wissen, was damals passierte, und ich glaube, Sie wissen auch, was einige Zeit davor geschah oder sagen wir besser, was da begann. Zu der Zeit, als Celia in die Schweiz fuhr und Sie noch in Overcliffe waren. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Wie waren Ihrer Meinung nach die Gefühle General Ravenscrofts gegenüber den beiden Schwestern?«
    »Ich weiß, was Sie meinen.«
    Zum ersten Mal änderte sich ihr Verhalten ein wenig. Sie war nicht länger auf der Hut, sie beugte sich vor und antwortete, als ob das Sprechen eine große Erleichterung für sie wäre.
    »Beide waren sehr hübsch«, begann sie. »Das habe ich von vielen Leuten gehört. General Ravenscroft verliebte sich in Dolly, die geistesgestörte Schwester. Wenn sie auch nicht ganz normal war, so war sie doch überaus attraktiv – sinnlich. Er liebte sie sehr, doch dann entdeckte er wohl irgendetwas, das ihn beunruhigt haben muss oder abstieß. Vielleicht erkannte er den beginnenden Wahnsinn, die damit verbundenen Gefahren. Er wandte sich ihrer Schwester zu. Er verliebte sich in sie und heiratete sie.«
    »Sie meinen, er liebte sie beide. Nicht zur gleichen Zeit, aber jedes Mal war es echte Liebe.«
    »Ja. Er war Molly sehr ergeben, verließ sich ganz auf sie. Er war ein sehr liebenswerter Mann.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Poirot, »aber ich glaube, auch Sie haben ihn geliebt.«
    »Sie – wie können Sie es wagen, so etwas zu sagen?«
    »Ich will damit nicht andeuten, dass Sie eine Affäre hatten, absolut nicht. Ich sage nur, dass Sie ihn geliebt haben.«
    »Ja«, gab Zélie Meauhourat zu. »Ich habe ihn geliebt. In gewissem Sinn liebe ich ihn noch. Es ist nichts, weswegen ich mich schämen müsste. Er vertraute mir und verließ sich auf mich, aber er hat mich nie geliebt. Man kann lieben und dienen, und dabei glücklich sein. Mehr hab ich nicht gewollt. Vertrauen, Sympathie…«
    »Und«, unterbrach sie Poirot, »Sie taten, was Sie konnten, um ihm in einer schrecklichen Krise seines Lebens zu helfen. Gewisse Dinge wollen Sie mir nicht verraten. Aber ich möchte Ihnen von meiner Theorie erzählen, die auf bestimmten Informationen basiert. Bevor ich Sie besuchte, habe ich manches gehört, von Leuten, die nicht Lady Ravenscroft allein, sondern auch Dolly kannten. Und ich weiß einiges von Dolly und der Tragödie ihres Lebens, von ihrem Kummer, ihrem Unglück und auch von dem Hass, dem Stückchen Bösen, dem Hang zur Zerstörung, die sich in einer Familie weitervererben können. Wenn sie den Mann liebte, mit dem sie verlobt war, muss sie, als er ihre Schwester heiratete, Hass gegen diese Schwester empfunden haben. Vielleicht hat sie ihr nie ganz verziehen. Aber was war mit Molly Ravenscroft? Stieß ihre Schwester sie ab? Hasste sie sie?«
    »Aber nein«, antwortete Zélie Meauhourat, »sie liebte ihre Schwester, mit großer beschützender Liebe. Das weiß ich genau. Sie wollte immer, dass Dolly bei ihnen leben sollte. Sie wollte ihrer Schwester helfen, sie vor sich selbst retten. Sie hatte oft entsetzliche Wutanfälle. Manchmal hatte Molly Angst. Nun, Sie sagten ja schon, dass Dolly eine merkwürdige Abneigung gegen Kinder hatte.«
    »Sie meinen, sie mochte Celia nicht?«
    »Nein, nein, nicht Celia! Edward! Zweimal hatte Edward beinahe einen Unfall. Einmal hatte sie an einem Wagen herumgefingert, ein andermal hatte sie einen Wutausbruch. Ich weiß, dass Molly froh war, als Edward wieder zur Schule zurück musste. Er war sehr jung, viel jünger als Celia. Höchstens acht oder neun. Und so sensibel. Molly hatte Angst um ihn.«
    »Ja, das kann ich verstehen. Seltsam ist auch die Sache mit den Perücken. Vier Stück – das sind reichlich viele. Ich weiß, wie sie aussahen, dass eine Französin nach London fuhr und sie bestellte. Es gab auch einen Hund. Einen Hund, den General und Lady Ravenscroft an jenem Unglückstag auf den Spaziergang mitnahmen. Kurze Zeit vorher hatte dieser Hund sein Frauchen – Molly Ravenscroft – gebissen.«
    »Hunde sind nun mal so«, meinte Zélie Meauhourat. »Man darf ihnen nie ganz trauen.«
    »Ich werde Ihnen jetzt erzählen, was sich meiner Ansicht nach an jenem Tag ereignete und was sich vorher ereignete, einige Zeit vorher.«
    »Und wenn ich Ihnen nicht zuhören möchte?«
    »Sie werden mir zuhören. Danach können Sie mir sagen, dass meine Theorie falsch ist. Ja, dazu wären Sie vielleicht wirklich imstande, obwohl ich es nicht annehme. Glauben Sie mir, was wir brauchen, ist die Wahrheit! Keine Vermutungen
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